Die Tote im Maar - Eifel Krimi
mich selbst.
Ich musste zurück ins Institut, ins Haus Diamand konnte ich nicht mehr. Das traute ich mich nicht, ich hatte ja nicht einmal eine Vorstellung davon, ob ich nicht doch noch mit meinem Großvater gesprochen hatte oder mit sonst jemandem. »Ich komme bald wieder«, versprach ich Rufus und entsandte den Gruß in die Friedhofsluft.
Auf der Rückfahrt mahnte ich mich, in allem vorsichtig zu sein, doch auch wenn die Mahnung an meinen Kopf ging, so konnte ich doch nicht das Geringste tun. Ich bekam es ja nicht einmal mit, wenn sich mein wacher Geist für einige Zeit verabschiedete. – Ich war gegen Mittag in Koblenz gewesen, das Gespräch mit Schwester Hildegard konnte keine Ewigkeit gedauert haben. Und jetzt war es kurz nach vier am Nachmittag. Was hatte ich in der Zwischenzeit gemacht? Wenn mein Großvater verwirrt und durcheinander war, wie nannte sich das dann bei mir?
Zeit zu überlegen und nachzudenken hätte ich während der Fahrt gehabt, aber das wollte ich nicht, ich war auf der Hut und fuhr konzentriert. Die Zeitung lag neben mir auf dem Beifahrersitz, ich hatte sie mitgenommen.
Ich ließ mir Zeit mit dem Zurückkommen. Es war annähernd Abend, und zumindest Galen würde sich fragen, wo ich die ganze Zeit gewesen war.
Mein Problem war, dass ich es selbst gern gewusst hätte; zumindest an einen Teil dieses Ganzen hatte ich keine Erinnerung. Mal wieder.
Im Institut legten Galen und Conny die zurechtgemachte Katharina in den Sarg, und ich erinnerte mich, was Schwester Hildegard über die Namen gesagt hatte, die Rufus ständig wiederholte. Katharina, Kristina. Ich brauchte eine Erklärung, wenn es sein musste, auch von Dr. Freud, wer auch immer damit gemeint war.
Abwartend stand ich da und machte niemanden auf mich aufmerksam. Ich sah, wie Conny hinausging. Galen stand über dem Sarg, er musste mich gespürt haben, denn er wandte sich um.
»Woher wusstest du von den Schnitten?«, platzte ich heraus. Ich konnte nicht mehr so tun, als gäbe es den Abgrund zwischen uns nicht.
»Ich habe ihr das Kleid angezogen, Isabel.«
»Du wusstest es schon vorher«, sagte ich.
»Du auch«, gab er zurück. »Wir legen ihr die Hände übereinander, es sieht friedlicher aus, als wären sie gefaltet. Möchtest du ihr etwas mitgeben?«
Nein, denn ich hätte nicht gewusst, was, und das sagte ich auch.
»Es ist alles so unwirklich. Ich schaue in Katharinas Gesicht, und ein klein wenig sehe ich mich darin.«
»Deine Mutter war eine sehr hübsche Frau, und ihre Tochter ist es auch.«
Galen hatte mir gerade ein Kompliment gemacht. Inmitten meines Gedankenchaos und der Anschuldigung.
Ich zog den Kittel an, den ich immer trug, wenn ich einer Leiche zu nahe kommen musste, nahm ein Haargummi und eine Klammer aus der Tasche. Im Nu saß das dunkle Haar wieder geordnet auf meinem Kopf. Bloß das Innere dieses Kopfes war ziemlich ungeordnet, und gerade dachte diese hübsche Tochter an ihren weinenden Großvater.
Galen und ich arbeiteten Hand in Hand, und ich verscheuchte das dumpfe Gefühl. Er war außer Luise der Einzige, dem ich mein Leben anvertrauen würde.
Einen kurzen Moment musste ich so ausgesehen haben, als würde alles Schreckliche über mich hereinbrechen.
»Woran denkst du?«, fragte Galen.
»Ich war bei Rufus. Ich wollte ihm von Katharina erzählen, aber er wusste es schon. Er hat das Foto in der Aachener Zeitung gesehen.«
»Er kann sich an Katharina erinnern, und er wird seine Tochter erkannt haben, aber wahrscheinlich hat er nicht begriffen, was sonst noch dort steht.«
»Er hat sie nicht wirklich erkannt«, sagte ich und erzählte ihm von den beiden Namen, die sich im Klang so ähnlich waren. »Wenn es eine Erinnerung war«, sprach ich meinen Gedanken aus, »welche könnte es gewesen sein?« Ich dachte, Galen könnte es vielleicht wissen, doch er hatte nur eine Theorie, die sich schnell überprüfen ließ, nämlich dass Katharina ihrer Mutter, meiner Großmutter, ähnlich gesehen hatte.
»Großmutter hieß aber Carolin«, sagte ich.
»Ein Arzt könnte es dir vielleicht beantworten«, meinte er.
Und ein Arzt könnte mir vielleicht auch beantworten, warum ich etwas tat und mich nicht daran erinnerte.
Galen hatte die Todesanzeige für morgen geschaltet. »›Katharina Friedrich, geliebte Mutter von Isabel – sie wurde achtundzwanzig Jahre alt.‹ So wird es da zu lesen sein. Das Foto habe ich von Romans Schreibtisch genommen, eines, auf dem sie glücklich ist.«
»Galen, sie löst sich auf,
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