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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ließen.«
    »Nun … « Der Alte strich sich das fleckige Kinn, während er langsam wieder zu seinem Schaukelstuhl trat. Seine Kiefer mahlten. »Das ist eine wichtige Sache, diese Begutachtungen, das weißt du, oder? Man darf keine voreiligen Schlüsse ziehen, das kann den Ruf ruinieren.«
    »In Paris war ich dafür bekannt, immer zweimal hinzusehen.«
    »Dreimal. Dann ist es wirklich sicher.« Hirschner ließ sich mit einem erschöpften Laut nieder und streckte die Beine aus. »Versuch es, mein Junge. Aber komm zurück, wenn du Fragen hast, ja? Berte kann unterdessen schon einmal deine Kammer einräumen.«
    »Danke, das mache ich lieber selbst.« Der Gedanke, dass die ungebildete Magd seine kostbaren Vorlesungsmitschriften in die Finger bekam, behagte Julius überhaupt nicht. »Lassen Sie bitte alles, wie es ist. Ich kümmere mich später darum. Und dann sprechen wir noch über die Einzelheiten?«
    Hirschner blinzelte verwirrt. »Welche Einzelheiten?«
    »Unserer Zusammenarbeit.« Julius trat zur Tür, nickte dem Doktor höflich zu. »Ich denke, wir sollten die Zuständigkeiten absprechen.«
    Hirschner entließ ihn mit einem brummigen Wink.
    *
    »Warum schickt man eigentlich Sie? Hat Marburg keine Polizey, oder warum sind Sie nun auch für Todesfälle zuständig?«, erkundigte sich Julius, während er dem Wachtmeister den Steinweg hinab folgte. Er hatte es nicht angesprochen, aber er kannte den gedrungenen Mann mit dem mächtigen Schnauzer und der rotgeäderten Nase noch von früher. Heinrich Schmitt hieß er, und Julius hoffte inständig, dass Schmitt sich nicht an jene Begebenheit erinnerte, die sie einmal zusammengebracht hatte. Seine älteren Brüder hatten der Statue am Marktbrunnen im Schutz der Abenddämmerung eine von Mutters gemopsten Unterhosen über den Kopf gezogen. An sich nur ein dummer Jungenstreich, hatte die ganze Angelegenheit unangenehme Züge angenommen, als die alte Frau Krämer aus der Aulgasse den Wachtmeister auf den Plan gerufen hatte, um die ›gottlosen Frevler‹ zu fassen. Dummerweise hatte sich bereits herumgesprochen, dass es die Söhne von Stadtrat Laumann gewesen seien, die für den Unfug verantwortlich zeichneten. Da seine Brüder ihn zu dem Zeitpunkt zwar um mindestens zwei Köpfe überragten, ansonsten aber zu feige waren, zu ihrem Streich zu stehen, hatte Schmitt Julius damals mit auf die Wache genommen, wo man ihn geschlagene fünf Stunden verhörte, bis einer seiner Brüder den Mut aufbrachte, den Vater zu benachrichtigen. Heinrich Schmitts Schnauzer gehörte zu den schlimmen Erinnerungen aus Julius’ Kindheit, aber offensichtlich verlief das Wiedererkennen einseitig. Julius wunderte sich nicht darüber, er hatte schon oft erlebt, wie sehr Titel und Garderobe den Blick verschleierten. Und für Wachtmeister Schmitt war die Episode mit der Unterhose auf dem Haupt der Brunnenmaid wahrscheinlich zu unbedeutend, um hinter dem weitgereisten Doktor Laumann den greinenden Siebenjährigen zu sehen, den er damals in seiner Amtsstube vor sich gehabt hatte.
    »Nun, nicht direkt«, grunzte Schmitt und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn, während er sich beeilte, mit Julius Schritt zu halten. »Generalleutnant von Rotsman weilt zurzeit in Kassel und Herr Oberschultheiß Hille führt die Ermittlungen. Der hat mich zu Ihnen geschickt.« Schmitts Schnauzer zuckte unwillig. »Dabei hab ich eigentlich noch einen Hühnerdieb, um den ich mich kümmern muss. Gestern zwei, vorgestern zwei, und heute noch den Hahn. Am helllichten Tag! Obwohl das Türchen verschlossen war.«
    »Und Sie sind sich sicher, dass es kein Fuchs war?«
    Schmitt schnaubte. »Hören Sie mir auf mit Fuchs. Ich bin schon froh, dass niemand behauptet, auch das sei der Wolf gewesen. Übrigens, ein guter Rat von mir – gehen Sie nicht allein in den Wald. Da geht ein Untier um.«
    »Der Wolf, ich habe schon davon gehört.« Julius nickte. »Ich bin zu alt für solche Ammenmärchen. Warum schicken Sie nicht einfach Nachricht an den Kurfürsten, er möge sich des Problems annehmen?«
    »Der Herr Bürgermeister hat das bereits getan, aber man sah keine Notwendigkeit zum Handeln. Dort drüben ist es übrigens schon!« Schmitt wies auf eine kleine Gruppe von Leuten, die sich in einiger Entfernung am Flussufer versammelt hatten. Der Nachmittag war inzwischen fortgeschritten, die tief stehende Sonne warf goldenes Licht durch die Uferweiden, die viel zu friedlich und warm erschienen, sodass man die Gruppe mit

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