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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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deine Zeit es erlaubt«, bat sie. »Mutter würde sich freuen.«
    Etwas in ihrem Tonfall sagte Julius, dass es nicht die Freude der Mutter war, die Sophie veranlasste, die Einladung auszusprechen, aber er nickte, damit er sie endlich loswurde. Bis er Zeit dazu fand, würden ohnehin ein paar Tage vergehen, und bis dahin hatte er diese Geschichte hier hoffentlich abgeschlossen. Zumindest bot ihm die Sache Gelegenheit, sich in der Stadt bekannt zu machen – als Doktor Laumann und zukünftiger Stadtphysikus und nicht als der jüngste, etwas seltsame Sohn von Stadtrat Laumann.
    »Sie haben die Namen der übrigen Personen?«, erkundigte sich Julius, als Sophie gegangen war und Schmitt mit seinen Gehilfen die Leiche vorsichtig auf einer herbeigeschafften Bahre ablegte.
    Schmitt nickte und strich sich über den Schnurrbart. »Studenten und ein paar Schaulustige. Der Herr Schultheiß wird sich um sie kümmern.« Neugierig äugte er zu der Toten, die seine Helfer gerade mit einem Tuch abdeckten. »Was meinen Sie eigentlich, Doktor, was ist mit dem armen Ding geschehen?«
    »Das kann ich noch nicht sagen.« Julius fasste seine Tasche fester und nickte dem Wachtmeister zu. »Passen Sie auf, dass sie uns nicht verloren geht. Und achten Sie darauf, dass niemand das Gesicht sieht.«
    »Warum das?«
    »Weil Leichen wie diese reichlich Anlass für wilde Spekulationen bieten und man sich schon genug Schauergeschichten erzählt«, sagte Julius ernst. »Lassen Sie uns versuchen, den Spuk im Rahmen des Erträglichen zu halten.«
    *
    Wilhelm und sein Bruder hatten darauf bestanden, Sophie nach Hause zu bringen, und obwohl sie sich zunächst geweigert hatte, war sie nun froh, dass die beiden nicht nachgegeben hatten. Jetzt, da der erste Schock gewichen war, zitterten ihre Knie, sodass sie sich fester an Wilhelms Arm klammerte, als es sich geziemte. Noch immer konnte sie nicht recht erfassen, was sie gesehen hatte.
    Helene. Die schöne, sanfte Helene war tot. Und immer wieder blitzte dieses Bild vor ihrem geistigen Auge auf, der bleiche Leichnam, umrahmt von schwarzem Haar, und in der Mitte des Gesichts dieses klaffende, blutige Loch.
    »Weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz.«
    »Was meinst du?«
    Sophie hob erschrocken den Kopf, bemerkte erst jetzt, dass sie den Gedanken laut vor sich hingemurmelt hatte. »Nichts«, sagte sie schnell und lächelte. »Nur ein Reim aus einem Märchen meiner Großmutter. Ich weiß nicht einmal mehr aus welchem.«
    Sie bemerkte, wie sich die Brüder über ihrem Kopf einen wissenden Blick zuwarfen. Vermutlich dachten sie, sie sei jetzt vollkommen übergeschnappt, und vielleicht war sie das auch. Sophie schloss die Augen und versuchte den Knoten herunterzuschlucken, der ihr die Luft nahm. Ein blutroter Mund …
    Die Sonne stand inzwischen tief, dämmrige Schatten breiteten sich zwischen den Häuserreihen aus, als sie das Haus in der Ritterstraße endlich erreicht hatten.
    »Kommt doch noch mit hinein«, bat Sophie, ehe die Brüder Anstalten machen konnten, sich zu verabschieden. »Meine Mutter wird ohnehin zürnen, da ist es gleichgültig, ob ihr mich begleitet oder nicht.«
    Wilhelm hob eine Augenbraue hoch. »Du hast nichts von unserer Verabredung erzählt?«
    »Nein.« Sophie lächelte matt und hob den Saum ihres Rocks, um die steinernen Stufen hinauf zur Tür zu erklimmen. Ihre Mutter hätte vermutlich noch Verständnis gehabt, wenn Sophie sich mit Studenten wie den Grimms traf. Lotte Dierlinger zählte selbst zu den Frauen, die die Gesellschaft gebildeter Männer stickenden und tratschenden Freundinnen vorzog. Julius’ Vater, Stadtrat Laumann, ihr Onkel und zu allem Überfluss seit Vaters Tod auch noch ihr Vormund, sah das indes überhaupt nicht gerne. Des lieben Friedens wegen beugte sich ihre Mutter seinen Anordnungen und verbot Sophie solche Ausflüge. Sophie wollte ihrer Mutter keinen Ärger machen, daher verheimlichte sie ihre Treffen mit Wilhelm Grimm. Doch heute wollte sie nicht alleine sein, solange die Bilder der toten Helene in ihrem Kopf umhergingen, dass sie meinte, den Verstand zu verlieren.
    Der Eingang mit der Treppe, die hinauf in die oberen Stockwerke führte, lag verlassen, aber von der Stube her klangen Stimmen. Mutter hatte also Besuch. Sophie presste die Lippen aufeinander und warf einen flüchtigen Blick zu den Grimms, während sie mit sich rang, sich doch lieber in ihrer Kammer unter den Kissen zu verkriechen, bis die Bilder endlich verschwanden. Dabei wusste sie,

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