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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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einem flüchtigen Blick auch für eine Ausflugsgesellschaft hätte halten mögen. Doch beim Näherkommen spürte Julius deutlich die Unruhe, die die Wartenden erfasst hatte, und die erleichterten Blicke, als er sich näherte.
    »Wer sind diese Leute?«, fragte Julius, während sie sich die letzten Schritte durch das Ufergras bahnten, das an vielen Stellen bereits plattgetreten war.
    »Sie haben die Leiche gefunden. Ich dachte, wir behalten sie hier, damit Sie ihnen Fragen stellen können.«
    »Gut, aber achten Sie darauf, dass der Hund angebunden bleibt«, ordnete Julius mit einem Blick auf den grauweißen Köter an, der hechelnd und jaulend in seiner Leine hing. Er hasste Hunde, und noch mehr hasste er diese degenerierten Schoßhündchen. Offensichtlich hatte die Begeisterung für französische Kläffer inzwischen auch Marburg erreicht.
    »Schmitt! Wo ist der Doktor?« Ein hochgewachsener Mann mit ausgeprägten Tränensäcken trat ihnen entgegen, den Mund missmutig verzogen. »Es wird bald dunkel, wir haben keine Zeit, noch lange zu warten.«
    Schmitt nickte, nach Luft ringend. »Herr Oberschultheiß, das ist der Doktor. Doktor Laumann, der neue Adjunkt von Doktor Hirschner. Er übernimmt die Untersuchung.«
    »Adjunkt?« Der Schultheiß wölbte eine Braue und legte den Kopf schief, um Julius zu mustern. Wie ein Storch, ging es Julius durch den Kopf. Er fragte sich, warum ihm das früher nie aufgefallen war. Der Zahn der Zeit hatte auch vor dem Oberschultheiß nicht Halt gemacht. Hager war er geworden, fast dürr, das Haar schütter, aber seine Augen waren immer noch stechend, wie Julius sie in Erinnerung hatte.
    »Ich bin gegen Mittag erst angekommen«, gab Julius Auskunft. »Doktor Hirschner ist verhindert. Zeigen Sie mir die Leiche?«
    »Gegen Mittag? Hat Ihnen die Medicinal-Deputation denn schon die Genehmigung erteilt?«
    »Nein, da ich noch keine Gelegenheit hatte, mich vorzustellen. Aber wenn Sie mich jetzt meine Arbeit machen ließen, werden wir vor der Dunkelheit noch fertig. Sie können auch auf Doktor Hirschner warten. Ich fürchte jedoch, das würde dauern.«
    Julius sah, wie Hille die Lippen aufeinander presste, während er wohl in Gedanken die Möglichkeiten durchging, die Angelegenheit hier und jetzt zu klären. »Machen Sie!«, befahl er grollend und warf dem Wachtmeister einen unheilvollen Blick zu. »Schmitt, Sie bleiben hier. Ich kehre in die Stadt zurück und erwarte Ihren Bericht.«
    Es war dem Wachtmeister anzusehen, dass er hundertmal lieber seinen Hühnerdieb gejagt hätte, aber er nickte knapp.
    Während Hille Anweisungen gab, wann sich die Anwesenden zur Befragung einzufinden hatten, trat Julius an den Leichnam heran, der halb im Uferschlamm, halb noch im Wasser lag. Obwohl er in Paris genug gesehen und gerochen hatte, dass er gemeint hatte, nichts könnte ihn mehr erschüttern, musste er einen Moment innehalten und tief Luft holen, um die jäh aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken.
    Sie mochte schön gewesen sein vor ihrem Tod mit ihrem langen schwarzen Haar und dem feingliedrigen Körper, doch davon war wenig geblieben. Ihr Leib war am Abdomen aufgerissen, sodass die Eingeweide hervorquollen. Das Kleid war zerfetzt und mit wässrigem Kot besudelt. Das Schlimmste war aber die Ansicht ihres Gesichts, von dem nur noch Teile der Nase und der linken Wangenpartie zu erkennen waren. Die Augen fehlten, und wo einst Mund und Bäckchen ein gefälliges Äußeres geformt haben mochten, klaffte nun ein blutiger Schlund.
    Julius brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Haltung, beschwor er sich und atmete noch einmal unterdrückt durch, ehe er in die Knie ging und seine Tasche behutsam abstellte. Es wäre ein schlechter Einstand, wenn er es nicht schaffte, seinen Magen unter Kontrolle zu halten. Langsam, um sich selbst Zeit zu verschaffen, holte er die Handschuhe hervor und zog sie über die Finger. Eigentlich brauchte die Frau keine Untersuchung. Dass sie tot war, hätte vermutlich sogar Doktor Hirschner erkannt. Es galt nur zu klären, welche Verletzung ursächlich gewesen sein mochte.
    »Weiß man schon, wer sie ist?«, fragte er, ohne aufzublicken.
    »Helene Wittgen.«
    Es war eine Frau, die ihm antwortete. Sie klang gefasst, trotz des leichten Zitterns in der Stimme, das sie vergeblich zu unterdrücken versuchte.
    »Die Tochter von Doktor Wittgen, dem Regierungsadvokat.«
    »Ah.« Julius nickte, obwohl ihm der Name nichts sagte. Vermutlich waren die Leute während seiner Kölner oder Pariser

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