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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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die Ruinen erreicht haben. Wenn Wilhelm bis dahin durchhielt.
    »Hörst du, wie still es hier ist?«, unterbrach Wilhelms Stimme ihre stummen Selbstvorwürfe. Er hatte leise gesprochen. »Hör mal.«
    Sophie lauschte. An sonnigen Tagen strich Wind über die Gipfel und ließ die Äste knarren und knacken, Vögel zwitscherten und huschten durchs Geäst, vielleicht zirpte irgendwo eine Grille oder rief ein Kuckuck. Doch jetzt war es still, eine drückende, beklemmende Stille, nur durchbrochen von dem gelegentlichen Geräusch, wenn sich ein Tropfen von einem Zweig löste und hinabfiel.
    »Unheimlich«, flüsterte Sophie. Ihre Finger berührten Wilhelms, sie spürte, wie er zusammenzuckte, aber er zog seine Hand nicht zurück. »Als sei die Zeit stehen geblieben.«
    »Ich glaube, es sind Momente wie diese, die Märchengeschichten hervorbringen.«
    Sophie nickte stumm. Ihr Herz klopfte, als ihr Blick langsam umherwanderte. Fast meinte sie, eine Bewegung zwischen den Bäumen zu sehen, aber das konnte sie sich ebenso gut eingebildet haben.
    »Wenn man es sich einredet, mag man meinen, man werde aus jedem Baum heraus beobachtet«, fuhr Wilhelm mit gedämpfter Stimme fort. »Wenn ich dir sagte, dort oben sitzt ein Kobold, würdest du ihn vielleicht nicht sehen, aber du würdest davon erzählen, und andere würden es weitererzählen und irgendwann würden es die Großmütter den Kindern erzählen und es wäre ein Märchen.«
    Sophie lachte leise und schloss ihre Finger um Wilhelms Hand. »Ein Märchen ist mehr als die Geschichte eines Kobolds, der in einem dunklen, nebelverhangenen Wald hockt.«
    »Sicher, aber die Geschichte käme irgendwann dazu, oder?« Wilhelm zuckte mit den Schultern. Sein Blick huschte unruhig umher. »Dennoch mag sie ihren Ursprung hier haben, in einem düsteren Wald, der ungewöhnlich still ist. Ich glaube, dass die meisten Märchen ihren Ursprung in solchen Erlebnissen haben. Vielleicht hat man die Erlebnisse vergessen, aber die Empfindung bleibt und wird weitergegeben in den Erzählungen.«
    »Also ein gemeinsames Empfinden?« Sophie fuhr zusammen, als irgendwo ein Ast knackte. Ihr Mundwinkel zuckte nervös. »Ist das nicht etwas weit hergeholt?«
    »Ich weiß nicht. Es sind … irgendwelche Gedanken, vielleicht noch ein wenig wirr.« Wilhelm lächelte schief und sah Sophie an. »Ich hatte in den letzten Tagen viel Zeit, als ich im Bett lag. Irgendwie will mir das nicht aus dem Kopf. Aber wir sollten weiter«, bemerkte er und entzog Sophie die Hand, um sich zu erheben.
    Sophie schluckte den Anflug von Enttäuschung herunter und beeilte sich, ihm zu folgen. Fröstelnd schlang sie die Arme um sich. Jetzt, da sie eine Weile gesessen hatte, merkte sie, wie kühl es war.
    Sie wollte etwas zu Wilhelm sagen, aber die Worte blieben ihr auf der Zunge kleben, als sie in sein Gesicht sah, das mit einem Mal totenbleich geworden war.
    »Dreh dich nicht um … «
    Sophie spürte, wie sich in ihr alles zusammenzog.
    »Bleib stehen. Bleib bloß stehen und rühr dich nicht.« Wilhelm sprach langsam, regungslos, aber sein Blick ging über Sophie hinweg, hing starr an etwas, was sich hinter ihrem Rücken verbarg, das sie fast körperlich spürte. Sie schluckte. Jetzt hörte sie es auch, ein Knacken, Rascheln, das aus dem Wald kam. Sophie wagte kaum zu atmen. Weg von hier!, wollte sie Wilhelm zurufen, aber sie konnte nicht. Sie verstand plötzlich, warum man sagte, man sei vor Angst wie gelähmt.
    Plötzlich war es wieder still. Unsicher suchte Sophies Blick Wilhelms Gesicht, das immer noch angespannt wirkte.
    »Es ist weg«, sagte er und hob die Mundwinkel zu einem unsicheren Lächeln, ein unbeholfener Versuch, sie zu beruhigen.
    »Was war da?« Sophie wagte es nun endlich, über die Schulter zu schauen, doch dort lag nur der dunkle Wald mit seinen Nebelschwaden.
    »Ich weiß es nicht genau … irgendetwas … Ich glaube, es hat uns nicht bemerkt.« Wilhelm fasste Sophies Hand. »Wir sollten weiter.«
    Sophie nickte und folgte ihm rasch. Sie wollte nicht fragen, was er dort genau gesehen hatte, letztendlich war es gleichgültig. Was immer es war, es war besser, wenn sie hier schnellstmöglich wegkamen.
    Sie hasteten durch den Wald. Sophies Finger umklammerten Wilhelms Hand. Sein Atem ging schwer, und mehr als einmal bat er Sophie, etwas langsamer zu laufen, aber sie drängte weiter. Der schmale Pfad führte an Tümpeln und sich plötzlich auftuenden Lichtungen vorbei, auf denen Nebelschwaden wie lauernde Gespenster

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