Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
Überraschung wirkte sein Vater nicht verärgert. Im Gegenteil, ein leises Schmunzeln stahl sich auf seine Züge, als er den Kopf wandte.
»Manchmal kamen mir Zweifel, ob du auch etwas von mir haben würdest, aber ich sehe, du hast es«, stellte er fest und drehte sich nun endlich um. »Du warst uns allen voraus, und du hast Standhaftigkeit bewiesen. Übrigens wissen wir jetzt, was dieser Tote hinter Wittgens Schreibtisch mit der Sache zu tun hatte.«
»Hannes Fuchs?«
»Genau der. Der Mann hat mehr Dreck am Stecken als jeder andere Gauner, der mir bislang untergekommen ist. Er hat Wittgen das Gift besorgt. Das hat er übrigens schon in Kassel getan, für die Morde an Wittgens anderen Ehefrauen. Fuchs hat sich seine Dienste teuer bezahlen lassen und Wittgen gezwungen, seiner Schwester Unterkunft und ein Auskommen zu geben. Der Doktor erzählte sehr freimütig darüber und beklagte sich, dass Fuchs immer mehr von ihm verlangte. Offenbar versucht er, die Verantwortung auf Fuchs abzuwälzen. Aber das wird ihm nicht helfen. Eine unschöne Geschichte, die ja nun endlich aufgeklärt wurde.« Laumann winkte ab und ging zu dem Lehnstuhl hinüber, wo er sich mit einem tiefen Seufzer niederließ. Die Anwesenheit des Wachtmeisters schien er völlig zu übergehen. »Es war gut, auf deine Mutter zu hören. Du hast es ihren Bitten zu verdanken, dass wir dich nach Marburg geholt haben. Wusstest du das?«
»Ja, und ich habe mir schon gedacht, dass es nicht Ihr Herzenswunsch war, mich hier zu haben«, antwortete Julius ehrlich. »Ist nun der Zeitpunkt gekommen, wieder Lebewohl zu sagen? Ich denke, die Deputation ist nicht erfreut darüber, dass ich ihre Anweisungen missachtet habe.«
»Nein, aber Michaelis ist nicht dumm und weiß, Mut und Torheit zu unterscheiden. Außerdem ist er inzwischen von deiner Befähigung überzeugt.« Laumann zog erneut an seiner Pfeife, ließ den Rauch langsam zwischen den Lippen entweichen. »Man hat sich heute beraten. Die Medicinal-Deputation lädt dich morgen vor, um dir die Genehmigung zu erteilen, als Arzt zu arbeiten. Baldinger hat sich übrigens sehr für dich eingesetzt.«
Julius neigte den Kopf. »Ich schätze den Professor sehr«, bekannte er. »Ebenso wie Michaelis. Ich hätte es bedauert, wieder gehen zu müssen.«
»Du wirst dir jetzt eine eigene Bleibe suchen müssen. Die Dachkammer des alten Hirschner ist unwürdig«, befand sein Vater ungerührt. »Hermann wird dir dabei helfen, er kennt die Leute hier und kann vermitteln. Deine Mutter hat angeboten, dir bei der Einrichtung zu helfen. Alles Weitere besprechen wir ein anderes Mal. Du hast sicher noch zu tun.«
Julius verstand den Rauswurf, aber er war nicht verärgert darüber. Es waren heute schon genug Wunder geschehen, ein weiteres zu erwarten, wäre zu viel verlangt gewesen. So nickte er nur knapp und verließ, gefolgt von Schmitt und seinem Bruder, die Bibliothek.
»Glück gehabt«, bemerkte Hermann und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich hatte eigentlich befürchtet, er würde dir den Kopf abreißen.«
»Nicht abreißen, aber ich hatte damit gerechnet, meine Sachen packen zu müssen.« Julius ließ ein schiefes Lächeln in seinen Mundwinkeln zucken. »Aber letztendlich hat er doch alles bekommen, was er wollte – der Mörder ist gefasst, der Wolf hat sich als wilder Hund entpuppt und die vermeintliche Hexe als Engelsmacherin, die zumindest mit den Todesfällen nichts zu tun hatte.«
»Der Hund wurde übrigens inzwischen erlegt«, brummte Schmitt. Sein Schnauzer hob sich zufrieden. »Es scheint, als ob es sich um einen Bullenhund handelt, den man auch schon in Bärenkämpfe gehetzt hat. Darauf lassen die Narben schließen. Vermutlich ist das Tier irgendwo abgehauen und hier bei uns in den Wäldern hängen geblieben.«
»Solange die Leute wieder ohne Angst in den Wald gehen können, ist doch alles gut«, nickte Hermann und fuhr Julius durch die Haare. »Und jetzt, Struwwel? Räumst du dein Zimmer bei Doktor Hirschner?«
»Vergessen Sie dann bitte nicht, die toten Ratten zu verbrennen«, mahnte Schmitt. »Wenn Sie die in die Gasse schmeißen, habe ich nächste Woche Ärger mit toten Katzen und Hunden.«
»Ich werde alles verbrennen, was mit dem Gift in Berührung gekommen ist. Aber erst einmal besuche ich meine Tante und meine Base.«
»Um ihnen mitzuteilen, dass man Sie nicht aus der Stadt wirft?«, fragte Schmitt.
»Auch.« Julius grinste. »Ich habe es versprochen.«
*
Sophie stand am Fenster, die Nase an die
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