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Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman

Titel: Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Mätresse des Kurfürsten gefragt, und hatte ihn dann angeraunzt, er solle wieder an die Arbeit gehen. Nein, mit seinem Vater konnte er nicht reden, um Klarheit in seine Gedanken zu bringen. Mit dem Studenten vielleicht, diesem Grimm, der ihm nachgelaufen war? Er hatte immerhin behauptet, dass er … Hans verwarf den Gedanken sofort wieder, während er den Lappen über die Furchen der Tischplatte drückte. Studenten kannten sich. Studenten steckten alle unter einer Decke, lachten jemanden wie ihn aus. Wahrscheinlich wusste Grimm Bescheid, über alles, den Schwarzhaarigen, Helene, Frau Wittgen …
    Hans hielt inne, als ihm plötzlich einfiel, wen er um Rat fragen könnte. Sie schien den Grimm zu mögen, er hatte sie zusammengesehen, am Forsthof und unten an der Lahn. Er kannte sie, seit er denken konnte, auch wenn ihre Welten sich entfernten, je älter sie wurden. Aber sie lachte nicht über ihn, hatte ihn noch nie verspottet. Sophie könnte er fragen.
    »He!«, hörte er seinen Vater brüllen, als er hinausstürzte, ohne sich um den Lappen zu scheren, der zu Boden gefallen war. Sein Vater würde ihm das Leder gerben, wenn er zurückkam, doch das kümmerte Hans nicht. Er musste Sophie finden, sie in der Stadt abpassen, wo der grausige Hugo ihn nicht vertrieb. Und er hatte auch schon eine Idee, wo das sein könnte.
    *
    Julius strich mit dem Finger über die Buchrücken, während er sich zwang, den Ausführungen seiner Tante zu lauschen. Lotte Dierlinger war alt geworden, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, und es kostete ihn Mühe, sein Befremden zu verbergen, als ihm plötzlich die verhärmte Frau mit den tiefen Falten zwischen Nase und Mund und den verkniffenen Lippen gegenüberstand. Wie sehr die Jahre, die er fort war, die Menschen verändern konnten. Lotte Dierlinger war in seinen Erinnerungen immer eine lebhafte, belesene Frau gewesen, die ihre Zunge zu führen wusste wie ein Husar seinen Säbel. Nun schien sie um Jahre gealtert, der Rücken krumm, obwohl sie die tadellose Haltung einer gehobenen Bürgersfrau pflegte, und irgendwie … staubig. Julius’ Blick fiel auf seinen Finger, an dessen Spitze ein grauer Hut hängengeblieben war. Die Bücher des berüchtigten Professors Dierlinger, den oft nur seine guten Beziehungen zum landgräflichen Hof in Kassel gerettet hatten, schienen ebenso zu verstauben wie seine Witwe. Ein Wunder, dass zumindest Sophie sich die vertraute Leichtigkeit bewahrt hatte.
    Dass er längst den Faden verloren hatte, bemerkte er erst, als Lotte sich räusperte. In ihren Augen stand kein Vorwurf, vielleicht an Anflug von Enttäuschung, aber selbst da war er sich nicht sicher.
    »Du bist mit deinen Gedanken woanders.« Eine Feststellung, ebenso glatt wie ihre Stimme, die nichts preisgab.
    Julius seufzte tief, zerrieb den Staub zwischen den Fingerspitzen, ehe er sich zu ihr umdrehte. Er versuchte nicht, höfliche Freundlichkeit an den Tag zu legen, von der sie beide wussten, wie aufgesetzt es war. »Ich habe tatsächlich nachgedacht. Darüber, wie sich dieses Haus verändern konnte, seit Ihr Gatte tot ist.«
    Für einen Moment bröckelte ihre Fassade, und er las einen Anflug von Schmerz in ihren Zügen, doch sie hatte sich gleich wieder im Griff. »Das bringt der Lauf der Zeit mit sich«, sagte sie leichthin. »Ich versuche aufrecht zu erhalten, was mein Gemahl geschaffen hat. Mir sind dabei natürlich Grenzen gesetzt, aber vielleicht mag ich ein wenig von dem Geist bewahren, der dieses Haus einmal geprägt hat.«
    »Ich habe Ihren Gemahl stets bewundert«, gab Julius zu. Noch immer meinte er den Staub zwischen den Fingern zu spüren. Rasch wischte er die Hand am Hosenbein ab. »Ich wünschte, ich hätte ihn noch angetroffen bei meiner Rückkehr.«
    »Dazu bist du ein halbes Jahr zu spät gekommen.« Lottes Mundwinkel zuckte unbestimmt. »Ist das der Grund für deinen Besuch?«
    »Ich bin schon einige Zeit in der Stadt. Es wäre geheuchelt, das als Anlass vorzugeben.«
    »Ich weiß. Sophie hat mir von deiner Rückkehr berichtet.« Lotte legte den Kopf ein wenig zur Seite und verengte die Augen. »Ich habe mich schon gefragt, wann du uns besuchen würdest. Oder ob du es überhaupt tun würdest.«
    Julius’ Blick glitt ziellos durch den Raum, er verspürte wenig Lust, die stumme Herausforderung aufzunehmen. Dabei konnte er Lotte sogar verstehen, schließlich war ihr Gatte sein Pate gewesen. Er war sich allerdings nicht sicher, ob der Tod des Professors nicht auch dieses letzte Band

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