Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
ich Sie nachher durchbohrt bei Doktor Hirschner oder auf dem Friedhof abgeben muss? Man wird mich suspendieren und davonjagen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Julius schwang die Arme ein paar Mal locker um sich und ging federnd in die Knie. »Ich weiß, an welcher Seite man einen Säbel anfasst.«
Schmitts Grimasse nach zu urteilen war der Wachtmeister davon keineswegs überzeugt, aber für weitere Einwände blieb keine Zeit, denn in dem Moment tauchte der blonde Ludwig wieder auf. Er pustete aus hochroten Backen und Schweißfäden auf seiner Stirn verrieten, dass er gerannt war. Er reichte dem Dunkelhaarigen einen der beiden Säbel, die er aus einem Tuch ausrollte, zögerte dann aber, ob er den zweiten an Schmitt als Sekundanten geben könnte. Julius ersparte ihm eine Entscheidung, indem er ihm die Waffe kurzerhand abnahm. Prüfend machte er ein paar Hiebe in die Luft, nickte zufrieden. »Der Säbel ist akzeptiert. Fangen wir an?«
Anstelle einer Antwort trat der Dunkle einen Schritt zurück und senkte die Waffe. »Sie sind sicher, dass Sie das wollen?«, fragte er. Im schwachen Licht der Lampen, die die Zuschauer nach draußen geschleppt hatten, wirkte sein Gesicht wie aus warmem Marmor gemeißelt. »Sie riskieren Ihr Leben, Doktor.«
Julius hob kurz den Mundwinkel. »Zeige ich Ihnen nicht genug Furcht?«
»Sie sollten.«
»Ich rate Ihnen, mich nicht zu unterschätzen.«
Der Dunkle stieß einen verächtlichen Laut aus und nahm endlich Haltung an. Ein kurzer Blick zu seinem Sekundanten, der sich räusperte und dann in rascher Folge die Regeln herunterspulte. Julius hörte nur mit einem Ohr hin. Er kannte jedes Wort auswendig, dazu hatte er es oft genug gehört. In einem Punkt hatte Sophie recht, Diplomatie zählte nicht zu seinen Stärken. Und er war Männern begegnet, die für weniger als den Vorwurf der Feigheit den Handschuh erhoben hatten.
Der Student griff an, kaum dass die Sekundanten den Kampf eröffnet hatten, eine ungestüme Attacke, der Julius spielerisch auswich. Jeder Gegner kämpfte anders, und es half, sich ein Bild der Stärken und Schwächen zu machen, ehe man selbst den Angriff führte. Ohne größere Probleme duckte Julius sich auch unter dem nächsten Schlag hinweg, führte eine Finte gegen die Schulter des Studenten, auf die dieser prompt hereinfiel und die linke Seite öffnete.
Julius war sich bewusst, dass er die Zuschauer enttäuschte, aber er hatte noch nie Gefallen daran gefunden, einen Kampf unnötig in die Länge zu ziehen. Sein Hieb kam schnell, zu schnell für den Studenten, der vor Schmerz aufstöhnte, als die Klinge Hemd und Haut zerschnitt. Er taumelte zurück, versuchte ungeschickt, seine Deckung wieder aufzubauen, aber Julius ließ ihn nicht so weit kommen. Ein zielsicher gesetzter Streich gegen den gegnerischen Unterarm, und der junge Mann ließ mit einem Aufschrei den Säbel fallen. Wimmernd umfasste er seinen Arm, dessen Ärmel sich rasch rot färbte.
»Der Sache ist genüge getan?«, wandte sich Julius an Ludwig, der verschüchtert seine Zustimmung signalisierte. Seine Augen zeigten Unglauben über das, was sie soeben gesehen hatten. Offensichtlich hatten ihn die Studenten als leichten Gegner eingeschätzt – ein Irrtum, mit dem sie nicht alleine waren.
»Steh auf.« Julius trat an den Dunkelhaarigen heran und fasste ihn unter der Schulter, um ihm behilflich zu sein und in Richtung einer moosbewachsenen Bank zu schieben. »Ich muss mir deine Verletzungen ansehen.«
Der Student starrte ihn mit schmerzverzerrter Miene ungläubig an. »Erst ritzen Sie mich auf, und dann wollen Sie mich behandeln?«
»Das Duell hast du dir selbst zuzuschreiben. Ihr da!«, rief er in die Richtung der Zuschauer, von denen sich ein großer Teil bereits wieder ins Wirtshaus zurückgezogen hatte, nachdem klar war, dass der Kampf viel zu schnell beendet war. »Bringt mir heißes Wasser und Tücher.«
»Ist er schwer verletzt?«, erkundigte sich Wachtmeister Schmitt, sichtlich unwohl in seiner Haut.
»Ich denke nicht.« Julius löste die Hand des Studenten und zog den Ärmel beiseite. »Oberflächlich. Aber es muss versorgt werden, damit sich nichts entzündet.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so gut fechten können«, zischte der Student mit zusammengebissenen Zähnen. Von seinem vorhin noch zur Schau getragenen Stolz war nicht mehr viel übrig blieben, nur ein verschreckter Junge, dem angesichts des Bluts die Knie weich wurden.
Julius riss einen Streifen aus dem Hemd heraus
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