Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
gewaschen. »Wer sind Sie überhaupt?«
»Doktor Friedrich Julius Laumann. Adjunkt des Stadtphysikus. Und mit wem habe ich es zu tun?«
»Ludwig Hartm…«
»Ich meine nicht Sie«, unterbrach ihn Julius mit einer harschen Geste. »Sie mit den dunklen Haaren! Wer sind Sie?«
Der Angesprochene drehte sich langsam um, er musste den Kopf ein wenig in den Nacken legen, um Julius ansehen zu können. »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht«, sagte er mit quälender Ruhe. »Sehen Sie nicht, dass Sie stören?«
»Es geht mich eine Menge an, wenn Sie eine Liebschaft mit einer verheirateten Frau unterhalten und womöglich deren hübscher Stieftochter nachgestiegen sind.«
Die Gespräche verstummten schlagartig, alle Augen wandten sich Julius zu.
»Verheiratete Frau?«, wiederholte der Blonde, der sich als Ludwig vorgestellt hatte. Ungläubig glotzte er den Schwarzhaarigen an, der eine abwiegelnde Handbewegung machte.
»Gebt nichts darauf. Vermutlich hat der Herr Doktor zu viel getrunken.«
»Ich pflege Besseres zu trinken als diesen Fusel hier. Wenn Sie mir nicht gleich Ihren Namen nennen, überlasse ich es der Justiz, diesen aus Ihnen herauszuholen.«
Der spöttische Ausdruck auf dem Gesicht des Studenten schwand, langsam stand er auf. »Sie wollen mir drohen?«
»Notfalls.« Julius verschränkte die Arme hinter dem Rücken, blickte dem jungen Mann geradewegs ins Gesicht. »Sie haben die Ehre einer rechtschaffenen Ehefrau beschmutzt und sind vielleicht schuld am Tod eines jungen Mädchens. Und nun sind Sie zu feige, sich der Verantwortung zu stellen.«
Klatschend traf der Handschuh seine Wange, so schnell, dass Julius Mühe hatte, nicht zusammenzuzucken.
»Sie kommen hierher, stören unsere Runde und jetzt stellen Sie auch noch meine Ehre infrage!« Der Dunkelhaarige sprach ruhig, seine Augen hingegen sprühten vor Zorn. »Kommen Sie morgen früh zur Elisabethbrücke. Und bringen Sie einen Sekundanten mit.«
»So viel Zeit habe ich nicht«, erwiderte Julius ungerührt. »Wenn Sie sich schlagen wollen, dann lassen Sie uns das jetzt tun. Vielleicht hilft Ihnen die frische Luft, sich zu erinnern.«
»Ihr wollt euch doch nicht wirklich jetzt duellieren?« Ludwig versuchte seinen Freund am Arm zu packen und zurück auf den Stuhl zu zerren. »Draußen ist irgendwo der Wachtmeister!«
»Na und?«, fuhr ihn der Dunkelhaarige an. Die Geräuschkulisse war inzwischen fast vollständig verstummt, alle Aufmerksamkeit hatte sich den beiden Kontrahenten zugewandt. »Ich lasse mich nicht als Feigling beschimpfen. Los, hol die Säbel«, er gab dem Blonden einen Stoß, wandte sich wieder Julius zu. »Ich hoffe, Sie sind satisfaktionsfähig?«
» Doktor Laumann, falls es Ihnen entgangen ist«, antwortete Julius kühl. »Das muss Ihnen reichen, Adel oder Offiziersrang habe ich nicht vorzuweisen. Wie steht es mit Ihnen, Herr Namenlos?«
»Mein Sekundant kann meine Satisfaktionsfähigkeit bezeugen«, gab der Dunkelhaarige zurück und wandte sich ab. An der Tür kam ihnen Schmitt entgegen, der leise vor sich hin pfeifend seine Kleidung ordnete. Irritiert hielt er inne, als sich die halbe Gästeschar von ihren Stühlen erhob und nach draußen drängte. »Was geht denn hier vor sich?«
»Der junge Mann weigert sich, mir seinen Namen zu nennen. Nun duellieren wir uns.« Julius fasste Schmitt an der Schulter und drehte ihn kurzerhand um, sodass sie gemeinsam wieder hinausgingen. »Wären Sie so freundlich und übernähmen die Rolle des Sekundanten?«
»Sekun…« Schmitt schnappte nach Luft. »Sind Sie wahnsinnig geworden? Man wird mich …
»Sollte Ihnen jemand das hier Vorgefallene zur Last legen wollen, sagen Sie, dass Sie keine Wahl hatten.« Julius deutete mit einer knappen Kopfbewegung auf die Neugierigen, die aus der Tür quollen und sich abwartend zu einem Halbkreis aufstellten. »Versuchen Sie denen einmal zu erklären, dass es jetzt nichts mehr zu sehen gibt. Der Mensch ist ein Raubtier, er giert nach Blut, und sein bevorzugtes Mahl ist das seiner eigenen Gattung.«
»Steht das in einem Ihrer Bücher?«
»Nein, auf der Place de la République, mit dem Blut der Guillotinierten geschrieben.« Julius streifte seinen Rock ab und reichte ihn Schmitt. »Gebe Gott, dass unseren deutschen Landen Ähnliches erspart bleibt.«
»Solange es Narren gibt, die sich gegenseitig ein Loch in den Bauch stechen wollen, habe ich da keine Sorge«, murmelte Schmitt. »Haben Sie sich auch überlegt, was ich Ihrem Herrn Vater sagen soll, wenn
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