Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Tilly es sich offenbar vorgestellt hatte. Joe erkannte und bewunderte ihre Intelligenz und Stärke, und er fühlte sich, ungewöhnlich für einen Mann seines Berufs, von ihrer Anwesenheit nicht bedroht. Er war sich einer allgemeinen Feindseligkeit der anderen Ordnungshüter gegen die Einstellung von Frauen bewusst, aber obwohl er das verstehen konnte, teilte er diese Gefühle nicht. Seine eigene Mutter und seine ältere Schwester Lydia waren aus demselben Holz geschnitzt. Er war in einer Familie aufgewachsen, in der man die Frauen zumindest als den Männern gleichgestellt betrachtete. Entzückend anders, gelegentlich einschüchternd, aber immer kompetent und selbstsicher, das war Joes Erfahrung. Seine Mutter hatte nach dem Unfall, der seinen Vater zum Krüppel gemacht hatte, jahrelang die Grundstücke der Familie in den schottischen Borders verwaltet. Und Lydia, das wusste er, hatte geholfen, eine Suffragettensektion zu leiten, die sich von der Gruppe um Emmeline Pankhurst abgespalten hatte. Sie war mit einem wohlhabenden, nachsichtigen, charmanten, aber faulen Mann mit einer großen Villa in Surrey verheiratet und führte ein Leben, das perfekt zu ihr passte. Obwohl sie zwei Kinder großzog und einen gastfreundlichen Haushalt führte - mit zwanzig Angestellten im Haus und so vielen weiteren draußen, dass Joe sie nie gezählt hatte -, fand Lydia die Zeit, sich mit der Förderung des Frauenrechts, mit der Gefängnisreform, dem Wohlergehen pensionierter Grubenponys und anderen wohltätigen Zwecken zu beschäftigen. Das Quäker-Blut, dachte Joe. Es führte zu einem Quäker-Gewissen und dem Glauben an den Lohn harter Arbeit. Konnte auch ein Fluch sein.
»Sind Sie noch da, Sir?« Die muntere Stimme von Armitage schnitt durch seine zunehmend wandernden Gedanken. »Warum gehen Sie nicht nach Hause und überlassen es mir, hier Klarschiff zu machen?«
»Danke, Bill, aber wir haben es fast geschafft. Hören Sie, ich werde meinem Chef mitteilen, dass ich Sie von dem, woran Sie gerade arbeiten, abziehen möchte, damit Sie sich mir bei diesem Fall anschließen können. Es wäre schön, wenn wir wieder zusammenarbeiten könnten.«
Armitage gestattete sich ein kurzes Aufflackern von Eifer in seinen strengen Gesichtszügen, dann erwiderte er sachlich: »Das wäre mir eine Ehre. Und ein Vergnügen, Captain.«
Sie lächelten einander mit gegenseitigem Respekt zu.
»Bevor wir jetzt beide in die Nacht ziehen, Bill, noch eine Sache: Sie waren ziemlich schnell am Tatort … haben draußen Patrouille geschoben, richtig? Ist Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Vermutlich wäre es zu viel verlangt, wenn Sie das Zerschmettern einer Fensterscheibe gehört hätten?«
»Ich bin das immer wieder durchgegangen, Sir.« Armitage knirschte vor Frust beinahe mit den Zähnen. »Ich habe absolut nichts gehört. Vielleicht war ich gerade auf der anderen Seite des Gebäudes. Außerdem blies heute Nacht ein kräftiger Wind. Tut mir leid, dass ich nichts bemerkt habe. Ich bin mit meiner Taschenlampe um das Gebäude gegangen. Dem Sims habe ich meine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Er verläuft rund um das gesamte Gebäude, und mir fiel auf, dass er für jeden, der unrechtmäßig Zugang suchte, recht praktisch sein würde.« Armitage hielt kurz inne. »Ich habe nichts gesehen. Nicht einmal einen streunenden Kater. Sehr enttäuschend. Ich war … schwer zu erklären … den ganzen Abend in nervöser Spannung. War mir sicher, dass etwas geschehen würde.«
Joe nickte.
»Und ich war fest überzeugt, wenn es Schwierigkeiten geben würde, dann kämen sie von außen.« Kurz und knapp setzte Armitage Joe von seinen Beobachtungen der Festgesellschaft in Kenntnis. »Ich hatte den Haufen als ziemlich unfähig ausgeschlossen. Konnte mir keinen von denen vorstellen, wie er weiter schwankte als bis zum nächsten Taxi.«
»Sie sagen, dass nach Dame Beatrice niemand unmittelbar den Raum verließ, mit Ausnahme der alten Lady Wie-war-doch-gleich-ihr-Name und Westhorpe?«
»Das stimmt, Sir. Natürlich hatte ich zu der Zeit keine Ahnung, dass sie Polizistin ist. Für mich war sie einfach ein hübsches Mädchen in einem ziemlich freizügigen, silbernen Kleid. Das war ungefähr fünf Minuten nach Dame Beatrice. Ich ging um fünfzehn Minuten nach Mitternacht auf Patrouille und kehrte ungefähr zehn Minuten vor ein Uhr zurück. Zu diesem Zeitpunkt herrschte bereits helle Aufregung im Büro des Geschäftsführers, und ich wurde mit Robert direkt hierher
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