Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
überquerte sie zügig und tauchte in die schmalen Straßen von Soho ein. Glasshouse Street. Brewer Street. Sein Verfolger war ihm immer noch auf den Fersen. Armitage grinste, ihm gefiel das. Er nutzte all seine Tricks, um einen Blick auf seinen Verfolger zu erhaschen. Er kannte diese Gassen wie seine Westentasche. Sein Schatten aber offenbar auch. Armitage fragte sich einen Moment lang, ob er sich das alles nur einbildete. Aber die empfindliche Stelle auf seinem Rücken sandte immer noch Warnsignale. Mein Gott! Sein Bein brachte ihn um! Lange hielt er das nicht mehr durch. Es war Zeit, den Verfolger zu stellen. Er drehte sich um und sah über seine Schulter, dann ging er in der Straßenmitte in Richtung Golden Square.
Er erreichte sein Ziel: einen Imbiss, der die ganze Nacht geöffnet hatte und in dem die Geschäfte anscheinend gut liefen. Drei feine Pinkel mit Zylinder und Opernumhängen unterhielten sich vernehmlich und nippten duftenden Kaffee aus Porzellanbechern. Ein Taxifahrer rollte heran, um zwei Würstchen und einen großen Becher Tee zu genießen. Ein Medizinstudent bat um eine heiße Suppe und ein Schinkensandwich. Zwei hagere Männer, deren Gesichter er zu erkennen glaubte, verschwanden beim Anblick des Polizeicapes rasch in die dunkle Nacht.
Armitage ging zur Theke und sah zu dem verschwitzten, strahlenden Gesicht des Besitzers auf.
»Einen Becher von Ihrem stärksten Kaffee, Zeek, und zwei Würstchen - die riechen gut. Ziemlich viel los, wie ich sehe.«
»Kann mich nicht beklagen. Es wird noch mehr los sein, sobald die Nachtclubs schließen. Hier bitte, Sarge. Senf dazu?«
»Nein, danke. Gut so, wie sie sind. Ich pflanze meinen Hintern auf der Bank da und werde sie genießen.«
Er setzte sich an einen provisorischen Tisch, der entgegenkommenderweise, wenn auch illegal, von der Geschäftsleitung auf dem Bürgersteig bereitgestellt worden war - für die Nachtschwärmer, die zu betrunken waren, um ihre Becher nach einer Nacht in der Stadt im Stehen zu trinken. Er wartete, mit dem Rücken zur Wand, ein Lächeln im Gesicht.
Da war er, der Oberklassenbariton, den er erwartet hatte.
»Dasselbe wie der Sergeant. Danke.«
Joe stellte seinen Becher neben den von Armitage.
»Rutschen Sie mal zur Seite! Zuerst eine Zigarette oder machen wir uns gleich über die Würste her?«
»Zuerst die Würste, denke ich. Sonst gefrieren sie noch.« Armitage fiel befriedigt auf, dass Joe schwer atmete. »Zu viele Stunden am Schreibtisch, stimmt’s, Sir?«, erkundigte er sich scheinheilig.
»Viel zu viele! Mein Gott, mit Ihnen kann man kaum mithalten! War aber ein gutes Training. Das habe ich nicht mehr getan, seit ich auf Streife gegangen bin.«
»Sie haben den Dreh immer noch raus, Sir. Ich war schon fast in Soho, bevor es mir auffiel.«
»Ehrlich? Für so gut habe ich mich gar nicht gehalten. Ich muss zugeben, in der Bridle Lane habe ich Sie verloren. Habe einfach nur geraten, dass ich Sie hier erwische.«
Die beiden Männer grinsten. Die offene Freude wog schwerer als die Peinlichkeit, dass sie beide einer Beschäftigung nachgegangen waren, die eher zu Rekruten passte.
»Sie kennen sich hier offenbar besser aus als ich«, sagte Joe. »Stammen Sie aus London?«
»Geboren und aufgewachsen.«
»Gratuliere übrigens, dass Sie es zum Sergeant gebracht haben. Sie haben keine Zeit verschwendet.«
»Fünf Jahre. Nein, Sie haben Recht, Sir. Schneller geht es in der Truppe nicht. Außer …«, fügte er hinzu, mit einem verstohlenen, aber bemerkbaren Seitenblick auf Joe.
»Ich erspare es Ihnen, das auszusprechen«, unterbrach ihn Joe ungerührt. »Jemand hat einmal gesagt, ich müsse wohl eine Rakete im Hintern haben, um so schnell in meinen jetzigen Rang aufgestiegen zu sein! Stimmt. Und auf der Rakete stand auch ein Name. Vor ein paar Jahren, als ich noch ganz gewöhnlichen Streifendienst schob - und glauben Sie mir, Armitage, ich habe ganz unten angefangen, Ex-Offiziere wurden in der Ausbildung nicht geschont -, hatte ich Glück.« Er fügte bedächtig hinzu: »Obwohl es zum damaligen Zeitpunkt nicht wie Glück aussah. Und es war eine merkwürdige Zeit. Polizeigewerkschaften, Polizeistreiks mehr als nur eine Möglichkeit, ziemlich viel Unzufriedenheit in der Truppe…«
»Ich erinnere mich«, warf Armitage ein. »Das war, bevor ich zur Polizei kam. Ich hätte diesen Schritt nie getan, wenn sich die Lage nicht grundlegend geändert hätte.«
»Das überrascht mich nicht. Es gab ungeheure Ungerechtigkeiten. Und
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