Die Tote im roten Cadillac
ausgeschlossen«, sagte er überlegend. »Aber ich kümmere mich sehr wenig um die ganzen Andersons, und die sogenannten Familienbande, die uns verbinden, sind nur ganz dünne Fädchen. Der alte Anderson war nämlich nicht gerade überglücklich, daß Grace und ich geheiratet haben. Wahrscheinlich wäre ihm ein Mann mit mehr Geld als Schwiegersohn lieber gewesen. Außerdem war Grace vor drei Jahren, als wir heirateten, gerade Neunzehn geworden, und durch die Heirat bekam sie ihren Anteil an der mütterlichen Erbschaft. Die selige Mrs. Anderson hat ihren drei Töchtern rund sechs Millionen Dollar hinterlassen. Allerdings hat sie testamentarisch bestimmt, daß die Mädels das Geld erst mit Fünfundzwanzig in die Hände kriegen sollen —es sei denn, sie würden vorher heiraten. Du brauchst nicht durch die Zähne zu pfeifen — ich war nie auf die zwei Millionen von Grace angewiesen. Auch dieses Haus hier, das immerhin siebzigtausend gekostet hat, gehört mir. Was allerdings die gute Lydia Anderson, meine jetzige Frau Schwiegermama, gegen Lloyd hat, weiß ich nicht. Denn schließlich kann es ihr ja ganz egal sein, wer sich das nächste Mädchen und die nächsten zwei Millionen unter den Nagel reißt. Außerdem legt sie es, soviel ich weiß und was Grace mir erzählt hat, nur darauf an, daß Robby Lermouth, ihr Herr Sohn, die kleine Audrey Anderson erwischt. Ein unglaublicher Fratz, was?«
Ich nickte versonnen vor mich hin und sah in Gedanken eine weiße Hemdbluse, unter der sich zwei kleine Hügelchen wölbten.
»Stimmt«, sagte ich. »Ein toller Fratz. Und bringt auch zwei Millionen ein?«
»Ja. Das heißt: nein! Denn so, wie die Dinge jetzt liegen, werden Olivias zwei Millionen zwischen Audrey und Grace aufgeteilt.«
Ich nickte anerkennend.
»Donnerwetter! Dann haben die beiden Mädels damit also wieder eine Million plus gemacht?«
Er grinste mich an.
»Und ich, indirekt. Das dachtest du doch gerade?«
»Das auch«, lachte ich.
Er machte eine Handbewegung. Schon früher hatte er diese Angewohnheit gehabt, viel mit den Händen zu reden.
»Was Grace mit ihrem Geld macht, ist mir ganz schnuppe. Wir sind... weißt du, Randy, wir leben nicht gerade wie Turteltauben. Nach außen hin lassen wir das natürlich nicht merken, aber, unter uns gesagt... na ja, du weißt schon, wie das halt so ist.«
Ich dachte eine Weile nach, und dann fragte ich ihn:
»Sag mal, Eddie — wer außer deiner Frau und Audrey kann noch einen Nutzen aus Olivias Tod ziehen?«
»Natürlich Robby, wenn es ihm gelingt, Audrey zu heiraten. Aber ich kann mir das nicht recht vorstellen; denn erstens ist Robby kein Bursche, der einer Frau eine Kugel in den Kopf jagt, und zweitens glaube ich überhaupt nicht, daß ein Mann, der zwei Millionen friedlich erheiraten kann, einen Menschen umbringt, um drei Millionen zu heiraten. Und sonst wüßte ich nicht, wer an Olivias Tod Interesse haben könnte.«
»Und Webster? Könnte es Eifersucht gewesen sein? Audrey machte eine Bemerkung in dieser Richtung. Ist er eifersüchtig? Ist er ein unbeherrschter Mensch?«
Eddie zuckte mit den Schultern.
»Könnte — ja, vielleicht. Olivia mochte ihn, soviel ich weiß, ganz gern, aber ich habe keine Ahnung, ob sie ihn tatsächlich geheiratet hätte. Sie waren zwar verlobt, aber es war noch nicht offiziell. Ob Lloyd besonders eifersüchtig ist, weiß ich nicht.«
Ich stand auf und ging im Zimmer hin und her.
»Und dann«, fuhr ich fort, »verstehe ich die ganze Geschichte mit den fünftausend Dollar nicht. Was hat Mrs. Anderson für ein Interesse daran, Lloyd Webster eines Diebstahls zu bezichtigen, es aber nicht in aller Öffentlichkeit zu tun, sondern heimlich. Um ihm Olivia zu vergraulen? Sie sagte, er selber wisse es nicht einmal.«
Ich starrte Eddie nachdenklich an, doch der schüttelte nur lachend den Kopf.
»Mein Gott — du bist doch Detektiv, Randy, und nicht ich! — Mir kommt das alles ja auch sehr komisch vor, und wenn du es mir nicht sagen würdest, hätte ich sogar meine Zweifel daran, ob das alles stimmt.«
»Es gibt zwei Möglichkeiten, Eddie, und zwar folgende: Entweder hat die Alte absichtlich gelogen, dann wollte sie einfach Webster eins auswischen und gleichzeitig Olivia und ihn auseinanderbringen. Oder aber es sind ihr tatsächlich fünftausend Dollar gestohlen worden, und sie nimmt wirklich an, daß Webster es getan hat: dann muß sie einen Grund zu dieser Annahme haben, der nur bei Webster selber liegen kann. Das müßte man zunächst
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