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Die Tote in der Bibliotek

Die Tote in der Bibliotek

Titel: Die Tote in der Bibliotek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Nähe herumtrieb oder sie bedrohte?»
    «Nein, ganz bestimmt nicht. Und wenn, dann hätte sie es mir erzählt. Sie hatte noch nie einen richtigen ‹Freund›. Das hat sie mir selbst gesagt.»
    Gesagt mag sie das ja haben, dachte Superintendent Harper, aber ob es stimmt?
    «Was sagt denn Josie?», fragte Conway Jefferson. «Sie müsste es doch besser als jeder andere wissen, wenn irgendein Mann Ruby nachgestellt oder sie belästigt hätte. Kann sie Ihnen nicht weiterhelfen?»
    «Angeblich nicht.»
    «Ich werde das Gefühl nicht los, dass hier ein krankes Hirn am Werk war. Die Brutalität des Vorgehens, der Einbruch – das alles ist so unlogisch und sinnlos. Es gibt ja solche Männer. Äußerlich wirken sie völlig normal, aber dann locken sie Mädchen an – manchmal sogar Kinder – und bringen sie um. Sexualverbrecher, genau genommen.»
    «Ja, solche Fälle gibt es in der Tat», sagte Harper. «Aber uns liegen keinerlei Hinweise darauf vor, dass ein solcher Mensch hier in der Gegend sein Unwesen treibt.»
    Jefferson fuhr fort: «Ich habe noch einmal alle Männer Revue passieren lassen, mit denen ich Ruby gesehen habe: Hotelgäste, Leute von außerhalb – Männer, mit denen sie getanzt hat. Sie scheinen alle ganz harmlos – das Übliche eben. Einen speziellen Freund hatte sie nicht.»
    Superintendent Harpers Gesicht zeigte keinerlei Regung, nur in seinen Augen glomm es noch immer skeptisch, was Jefferson jedoch entging. Ruby Keene, dachte er, könnte sehr wohl einen speziellen Freund gehabt haben, von dem ihr Gönner nur nichts wusste. Aber er sagte nichts.
    Der Chief Constable warf ihm einen fragenden Blick zu und erhob sich. «Vielen Dank, Mr. Jefferson», sagte er. «Das wäre vorerst alles.»
    «Sie halten mich doch auf dem Laufenden?»
    «Aber gewiss doch, wir bleiben in Verbindung.»
    Die beiden Männer gingen, und Conway Jefferson lehnte sich zurück. Seine Lider senkten sich über das grelle Blau seiner Augen. Plötzlich sah er sehr alt aus. Nach einigen Minuten zuckten seine Lider, und er rief: «Edwards!»
    Sofort trat aus dem Zimmer nebenan der Kammerdiener ein. Edwards kannte seinen Herrn wie niemand sonst. Andere, selbst die Menschen in seiner nächsten Umgebung, kannten nur seine Stärke. Edwards aber kannte auch seine Schwäche. Er hatte Conway Jefferson müde gesehen, mutlos, voller Lebensüberdruss, hatte Momente erlebt, in denen körperliche Hilflosigkeit und Einsamkeit ihn überwältigten.
    «Ja, Sir?»
    «Rufen Sie Sir Henry Clithering an. Er ist in Melborne Abbas. Bitten Sie ihn herzukommen, möglichst noch heute. Sagen Sie ihm, es ist dringend.»

Siebtes Kapitel

I
     
    N achdem sie Jeffersons Tür hinter sich geschlossen hatten, sagte Harper: «Also, wenn Sie mich fragen, Sir: Ein Motiv hätten wir jetzt.»
    «Hm», machte Melchett. «Die fünfzigtausend Pfund, wie?»
    «Ja. Morde sind schon für viel weniger begangen worden.»
    «Ja, aber…»
    Colonel Melchett beendete den Satz nicht, doch Harper verstand ihn auch so.
    «In diesem Fall überzeugt Sie das nicht? Nun ja, mich eigentlich auch nicht. Trotzdem müssen wir uns damit befassen.»
    «Natürlich.»
    «Wenn Mr. Gaskell und Mrs. Jefferson gut versorgt sind und über ein ausreichendes Einkommen verfügen, wie Mr. Jefferson sagt», fuhr Harper fort, «wieso sollten sie dann einen brutalen Mord begehen?»
    «Ganz recht. Aber ihre finanziellen Verhältnisse müssen natürlich untersucht werden. Kann nicht behaupten, dass mir Gaskell besonders sympathisch wäre – scheint ein gerissener, skrupelloser Bursche zu sein –, aber das macht ihn noch lange nicht zum Mörder.»
    «Ja, eben, Sir, wie gesagt: Ich halte es für unwahrscheinlich, dass es einer der beiden war, und nach dem, was Josie sagt, wäre es auch gar nicht möglich gewesen. Beide haben von zwanzig vor elf bis zwölf Bridge gespielt. Nein, eine andere Variante wäre da meiner Ansicht nach plausibler.»
    «Ruby Keenes Freund?»
    «Genau, Sir. Irgendein eifersüchtiger junger Mann, vielleicht kein allzu heller Kopf. Jemand, den sie schon kannte, bevor sie hierher kam, würde ich sagen. Die Sache mit der Adoption – gesetzt den Fall, er hat davon Wind bekommen – könnte das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Er hatte Angst, sie zu verlieren, sah sie in eine ganz andere Welt entschwinden und hat vor Wut den Kopf verloren. Gestern Abend hat er sie überredet, sich mit ihm zu treffen, sie bekamen Streit, er hat nur noch rot gesehen und sie umgebracht.»
    «Und wie kam sie in

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