Die Tote in der Bibliotek
Schönes Wetter und so, verstehen Sie? Zu viel Aufwand, ein Auto in die Garage zu stellen.»
Mit einem Blick auf Colonel Melchett sagte Superintendent Harper: «Ich komme gleich nach, Sir. Ich will nur rasch Sergeant Higgins verständigen, damit Mr. Bartlett die Einzelheiten zu Protokoll geben kann.»
«In Ordnung, Harper.»
«Dachte, ich sag’s Ihnen lieber», murmelte Mr. Bartlett gedankenvoll. «Könnte ja wichtig sein, oder?»
III
Mr. Prestcott hatte seiner neuen Tänzerin Kost und Logis gewährt. Von welcher Qualität die Kost auch sein mochte – das Logis war das dürftigste, das es im ganzen Hotel gab.
Josephine Turner und Ruby Keene wohnten am Ende eines düsteren, schmuddeligen, schmalen Flurs. Die Zimmer waren klein und gingen nach Norden auf das Kliff hinter dem Hotel, das Mobiliar bestand aus bunt zusammengewürfelten Stücken, die vor dreißig Jahren zur Luxusausstattung der besten Suiten gehört hatten. Als Letztere im Zuge der Modernisierung des Hotels mit Einbauschränken versehen worden waren, hatte man die großen viktorianischen Eichen- und Mahagonischränke in die Zimmer des im Hause wohnenden Personals oder in jene Räume verbannt, in denen während der Hochsaison, wenn das Hotel ausgebucht war, einzelne Gäste untergebracht wurden.
Melchett sah auf den ersten Blick, dass Ruby Keenes Zimmer ideal geeignet war, das Hotel unbemerkt zu verlassen, und denkbar ungeeignet, die Umstände dieses Verlassens zu erhellen.
Am Ende des Flurs führte eine schmale Treppe auf einen ebenso düsteren Flur im Erdgeschoss hinab. Durch eine Glastür gelangte man von dort auf die wenig frequentierte Seitenterrasse des Hotels, die keinen Blick aufs Meer bot. Von hier aus ging es auf die Hauptterrasse oder aber über einen gewundenen Pfad zu einem Sträßchen, das weiter entfernt in die Kliffstraße mündete und seines schlechten Zustandes wegen selten befahren wurde.
Inspektor Slack hatte die Zimmermädchen in die Mangel genommen und Rubys Zimmer auf Spuren abgesucht. Zu seinem Glück hatte er den Raum noch in genau dem Zustand vorgefunden, wie er am Abend zuvor verlassen worden war.
Ruby Keene war keine Frühaufsteherin gewesen. Sie hatte gewöhnlich bis zehn, halb elf geschlafen, wie Slack herausgefunden hatte, und dann nach dem Frühstück geklingelt. So hatte die Polizei, nachdem Conway Jefferson beim Hoteldirektor vorstellig geworden war, die Dinge in die Hand nehmen können, bevor die Zimmermädchen den Raum betraten. Sie waren nicht einmal auf dem Flur gewesen, denn die anderen Zimmer dort wurden um diese Jahreszeit nur einmal in der Woche aufgeschlossen und abgestaubt.
«So weit, so gut», sagte Slack düster. «Wenn hier etwas zu finden wäre, würden wir es auch finden. Aber da ist nichts.»
Die Polizei von Glenshire hatte den Raum bereits auf Fingerabdrücke untersucht, aber nur Rubys eigene, Josies und die der beiden Zimmermädchen von der Früh- und der Spätschicht gefunden. Einige stammten auch von Raymond Starr, der ja mit Josie zusammen nach Ruby hatte sehen wollen, nachdem sie nicht zur Mitternachtsvorstellung erschienen war.
In den Fächern des schweren Mahagonischreibtischs in der Ecke hatte Slack allerlei Krimskrams und einen Stapel Briefe gefunden. Er hatte alles sorgfältig geprüft, aber nichts Brauchbares entdeckt. Rechnungen, Quittungen, Theaterprogramme, Abschnitte von Kinokarten, Zeitungsausschnitte, aus Zeitschriften herausgerissene Schönheitstipps. Unter den Briefen fanden sich einige von einer gewissen Lil, offenbar einer Freundin aus dem Palais de Danse. Sie berichtete von diversen Affären, breitete allerlei Klatsch und Tratsch aus und schrieb, man vermisse «Rube» schrecklich. «Mr. Findeison hat noch so oft nach dir gefragt! Ganz geknickt ist er! Reg hat mit May angebandelt, nachdem du weg warst. Barny fragt auch noch ab und zu nach dir. Sonst ist alles beim Alten. Der alte Grouser ist zu uns Mädchen gemein wie eh und je. Ada hat einen Rüffel von ihm bekommen, weil sie mit einem Jungen geht.»
Slack hatte sich alle Namen, die in den Briefen vorkamen, gewissenhaft notiert. Man würde Nachforschungen anstellen, die vielleicht einiges Wissenswerte ergeben würden. Der Meinung war Colonel Melchett auch, ebenso wie Superintendent Harper, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte. Ansonsten hatte das Zimmer wenig Verwertbares zu bieten.
Über einem Stuhl in der Mitte des Raumes hing das rosa Tüllkleid, das Ruby am Abend getragen hatte. Die rosa
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