Die Tote in der Bibliotek
für beide. Sie können es gar nicht gewesen sein.»
«Haben Sie detaillierte Aussagen darüber, was sie an dem Abend gemacht haben?»
«Ja. Zunächst Mr. Gaskell: Er hat mit seinem Schwiegervater und Mrs. Jefferson zu Abend gegessen, danach wurde noch Kaffee getrunken, und Ruby Keene hat sich zu ihnen gesetzt. Dann ist er unter dem Vorwand, noch ein paar Briefe schreiben zu müssen, gegangen. In Wirklichkeit hat er seinen Wagen geholt und eine kleine Fahrt zur Strandpromenade unternommen. Gibt offen zu, dass er es nicht erträgt, einen ganzen Abend lang Bridge zu spielen. Der alte Knabe ist ganz verrückt danach. Die Briefe waren also ein Vorwand. Ruby Keene ist bei den anderen geblieben. Während ihres Auftritts mit Raymond kam Gaskell zurück. Danach hat sie noch ein Glas mit den Jeffersons getrunken und ist dann mit dem jungen Bartlett in den Ballsaal hinüber. Mark Gaskell und die anderen haben ihre Bridgepartie angefangen. Das war um zwanzig vor elf. Gaskell hat bis nach Mitternacht am Tisch gesessen, soviel steht fest, Sir. Jeder kann es bezeugen, die Familie, die Kellner, alle. Er kann es also nicht gewesen sein. Und Mrs. Jefferson hat dasselbe Alibi. Sie hat genauso lange am Tisch gesessen. Sie scheiden beide aus – definitiv.»
Colonel Melchett lehnte sich zurück und trommelte mit einem Brieföffner auf den Tisch.
«Vorausgesetzt, das Mädchen ist vor Mitternacht umgebracht worden», setzte Superintendent Harper hinzu.
«Nach Haydocks Meinung war das der Fall. Haydock ist äußerst zuverlässig in seiner Arbeit für die Polizei. Was er sagt, stimmt.»
«Es könnte immerhin Gründe geben – gesundheitliche Gründe, körperliche Besonderheiten oder dergleichen…»
«Ich rede noch einmal mit ihm.»
Melchett sah auf die Uhr, griff zum Telefonhörer und verlangte eine Nummer. «Um diese Zeit müsste er zu Hause sein. Und was ist, wenn Ruby nach Mitternacht getötet wurde?»
«Das brächte uns vermutlich weiter. Zu der Zeit sind noch Gäste aus und ein gegangen. Angenommen, Gaskell war mit dem Mädchen irgendwo draußen verabredet, sagen wir, um zwanzig nach zwölf. Er schlüpft für ein paar Minuten hinaus, erwürgt sie, kommt wieder herein und schafft die Leiche später fort, zum Beispiel in den frühen Morgenstunden.»
«Er fährt über dreißig Meilen, um sie in Bantrys Bibliothek zu schaffen? Klingt verdammt unwahrscheinlich.»
Der Superintendent musste Melchett Recht geben.
Das Telefon klingelte. Der Colonel hob den Hörer ab.
«Hallo, sind Sie’s, Haydock? Es geht um Ruby Keene. Könnte es sein, dass sie erst nach Mitternacht getötet wurde?»
«Nein, zwischen zehn und zwölf, das hab ich Ihnen doch gesagt.»
«Ich weiß, aber könnte man den Zeitraum nicht doch ein bisschen strecken?»
«Da gibt es nichts zu strecken. Wenn ich sage, sie wurde vor Mitternacht getötet, dann meine ich auch vor Mitternacht. Versuchen Sie nicht, die medizinischen Beweise zurechtzubiegen.»
«Aber könnte es denn nicht irgendwelche physiologischen Faktoren geben – Sie wissen schon?»
«Ich weiß nur, dass Sie nicht wissen, wovon Sie reden. Das Mädchen war kerngesund und in keiner Weise anormal. Etwas anderes werden Sie von mir nicht hören, nur damit ihr Polizeileute irgendeinem armen Teufel, auf den ihr’s abgesehen habt, den Strick um den Hals legen könnt. Nein, protestieren Sie nicht, ich kenne doch Ihre Methoden. Im Übrigen hat sich das Mädchen ja nicht aus freien Stücken erwürgen lassen. Sie ist vorher betäubt worden. Starkes Narkotikum. Der Tod ist zwar durch Strangulieren eingetreten, aber zuvor ist sie betäubt worden.» Haydock legte auf.
«Da haben wir’s», sagte Melchett düster.
«Dachte, ich hätte noch einen Kandidaten in der Hinterhand, aber das war wohl ein Blindgänger.»
«Wie bitte? Wen?»
«Genau genommen fällt er in Ihr Ressort, Sir. Basil Blake. Wohnt in der Nähe von Gossington Hall.»
«Dieser unverschämte, eingebildete Fatzke!» Des Colonels Stirn umwölkte sich bei dem Gedanken an Basil Blakes haarsträubende Grobheit. «Was hat er mit der Sache zu tun?»
«Scheint Ruby Keene gekannt zu haben. War oft zum Dinner im Majestic – hat mit dem Mädchen getanzt. Erinnern Sie sich, was Josie zu Raymond gesagt hat, als Ruby nicht erschienen ist? ‹Meinst du, sie ist mit diesem Filmmenschen unterwegs?› Und damit hat sie Basil Blake gemeint, wie ich herausgefunden habe. Er arbeitet in den Lemville-Studios. Josie kann weiter nichts dazu sagen, sie glaubt nur, dass
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