Die Tote ohne Namen
gewesen.
Ich betrat den Aufzug und fuhr hinunter. Ein paar Mitarbeiter saßen noch in ihren Büros und nickten mir zu, als ich vorbeiging. Wesleys Sekretärin hatte Urlaub. Ich klopfte an seine Zimmertür. Ich hörte seine Stimme, dann, wie ein Stuhl verschoben wurde und er zur Tür kam und sie öffnete.
»Hallo«, sagte er überrascht.
»Das ist der Ausdruck, den du von Lucy wolltest.« Ich reichte ihm die Papiere.
»Danke. Bitte, komm herein.« Er setzte seine Lesebrille auf und las Gaults Botschaft.
Wesley hatte sein Jackett ausgezogen. Das weiße Hemd warf Falten unter den ledernen Hosenträgern. Er war verschwitzt und unrasiert.
»Hast du noch mehr abgenommen?« fragte ich.
»Ich wiege mich nie.« Er blickte mich über den Rand seiner Brille hinweg an und setzte sich an seinen Schreibtisch.
»Du siehst nicht gerade gesund aus.«
»Er dekompensiert weiter. Das sieht man an dieser Botschaft. Er wird leichtsinniger, dreister. Ich würde sagen, nächste Woche wissen wir, wo er wohnt.«
»Und dann?« Ich war nicht überzeugt.
»Dann kommt das HRT zum Einsatz.«
»Aha. Deine Leute werden aus Helikoptern springen und das Gebäude in die Luft jagen.«
Wieder sah Wesley mich an. Er legte den Ausdruck auf den Tisch. »Du bist wütend«, sagte er.
»Ich bin wütend auf dich, Benton.«
»Warum?«
»Ich habe dich gebeten, Lucy nicht in diesen Fall hineinzuziehen. «
»Wir hatten keine andere Wahl.«
»Es gibt immer andere Möglichkeiten. Gleichgültig, was die Leute sagen.«
»Im Augenblick ist sie unsere einzige Hoffnung, Gaults Wohnsitz ausfindig zu machen.« Er blickte mir in die Augen. »Außerdem hat sie eigene Ansichten.«
»Ja, die hat sie. Eben. Sie hat keinen Knopf, mit dem man sie ausschalten kann. Sie weiß nicht immer, wo ihre Grenzen sind.«
»Wir lassen sie nichts tun, womit sie sich in Gefahr bringen könnte.«
»Sie ist bereits in Gefahr gebracht worden.« »Laß sie erwachsen werden, Kay.« Ich starrte ihn an.
»Sie wird im Frühjahr ihr Studium abschließen. Sie ist eine erwachsene Frau.«
»Ich will nicht, daß sie hierher zurückkommt«, sagte ich.
Er lächelte kurz, aber seine Augen blickten müde und traurig. »Ich hoffe, sie wird zurückkommen. Wir brauchen Mitarbeiter wie sie und Janet. Wir brauchen alle, die wir kriegen können.«
»Sie hat Geheimnisse vor mir. Und mir scheint, ihr beide habt euch gegen mich verschworen und laßt mich im dunkeln.
Schlimm genug... « Ich riß mich zusammen.
Wesley sah mir in die Augen. »Kay, das hat nichts mit meiner Beziehung zu dir zu tun.«
»Das hoffe ich.«
»Du willst alles wissen, was Lucy tut.« »Selbstverständlich.«
»Erzählst du ihr alles, wenn du an einem Fall arbeitest?«
»Nein.«
»Aha.«
»Warum hast du aufgelegt?«
»Du hast mich zu einem recht ungünstigen Zeitpunkt erwischt.«
»Du hast noch nie aufgelegt, egal, wie ungünstig der Zeitpunkt war.«
Er nahm seine Brille ab und klappte sie zusammen. Dann griff er nach seiner Kaffeetasse, sah hinein und bemerkte, daß sie leer war. Er hielt sie mit beiden Händen.
»Es war jemand in meinem Büro, und diese Person sollte nicht erfahren, daß du am Telefon warst«, sagte er. »Wer war da?«
»Jemand aus dem Pentagon. Ich werde dir den Namen nicht sagen.«
»Aus dem Pentagon?« Ich stand vor einem Rätsel. Er schwieg.
»Warum wolltest du nicht, daß jemand aus dem Pentagon erfährt, daß du mit mir telefonierst?«
»Anscheinend hast du für Unruhe gesorgt.« Wesley stellte die Kaffeetasse ab. »Ich wünschte, du wärest nicht nach Fort Lee gefahren.«
Ich war erstaunt.
»Dein Freund Dr. Gruber wird möglicherweise gefeuert. Ich rate dir, dich vorerst nicht mehr bei ihm zu melden.«
»Geht es um Luther Gault?«
»Ja, es geht um General Gault.«
»Sie können Dr. Gruber nicht kündigen.«
»Ich fürchte, das können sie. Dr. Gruber hat unautorisiert eine Suche in der militärischen Datenbasis durchgeführt. Er hat geheime Informationen abgerufen.«
»Geheim? Das ist doch absurd. Es ist eine Seite Routineinformation, die man für zwanzig Dollar haben kann, wenn man ins Quartermaster Museum geht. Schließlich handelt es sich nicht um eine Akte des Pentagon.«
»Du kriegst für zwanzig Dollar gar nichts, außer du bist selbst die betreffende Person oder von der Staatsanwaltschaft.«
»Benton, wir reden von einem Serienmörder. Habt ihr alle den Verstand verloren? Wer interessiert sich schon für allgemeine Computerdaten?«
»Die Armee.«
»Geht es um die
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