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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Richmond, und selbstverständlich hatte es Probleme gegeben, vor allem mit Zigeunern, die dazu neigten, tagsüber, wenn niemand zu Hause war, in die Häuser zu spazieren. Ihretwegen machte ich mir keine Sorgen, denn ich schloß immer ab und schaltete meine Alarmanlage nie aus. Ich fürchtete eine besondere Spezies Verbrecher, und die war nicht so sehr an meinen Besitztümern interessiert als vielmehr daran, wer und was ich war. Ich bewahrte meine Schußwaffen überall im Haus an Orten auf, wo sie sofort griffbereit waren.
    Ich setzte mich auf die Couch, die Schatten der Flammen züngelten über die Ölgemälde an der Wand. Meine Einrichtung war europäisch modern, und tagsüber war das Haus von Licht erfüllt. Als ich meine Post durchging, stieß ich auf einen rosaroten Umschlag. Er war nicht groß, und es war auch kein besonders gutes Papier, sondern die Art Briefpapier, wie man sie in billigen Kaufhäusern kaufen konnte. Ich hatte früher schon zwei dieser Briefchen erhalten. Der Poststempel war diesmal Charlottesville, 23. Dezember. Ich öffnete den Brief mit einem Skalpell. Die Botschaft war wie die früheren mit schwarzer Tinte geschrieben.
    Liebe Dr. Scarpetta, ich hoffe, es wird ein ganz besonderes Weihnachten für Sie!
    CAIN
    Ich legte den Brief vorsichtig auf den Tisch.
    »Marino?« rief ich.
    Gault hatte den Brief geschrieben, bevor er Jane umbrachte. Aber die Post arbeitete langsam, ich hatte ihn erst jetzt bekommen.
    »Marino!« Ich stand auf.
    Ich hörte seine lauten schnellen Schritte auf der Treppe. Er stürmte mit der Pistole in der Hand ins Wohnzimmer.
    »Was ist los?« Er atmete schwer, als er sich umsah. »Alles in Ordnung?«
    Ich deutete auf das Briefchen. Sein Blick fiel auf den rosaroten Umschlag und das dazu passende Blatt Papier. »Von wem ist das?« »Schau's dir an«, sagte ich.
    Er setzte sich neben mich, stand aber sofort wieder auf. »Ich werde erst die Alarmanlage wieder einschalten.«
    »Gute Idee.«
    Er kehrte zurück und setzte sich erneut. »Gib mir zwei Kugelschreiber. Danke.«
    Er benutzte die Kugelschreiber, um das Papier nicht mit den Händen auffalten zu müssen und dabei irgendwelche Fingerabdrücke unkenntlich zu machen, die ich noch nicht zerstört hatte. Als er den Text gelesen hatte, studierte er die Handschrift und den Poststempel auf dem Umschlag.
    »Ist es das erste Mal, daß du so ein Briefchen kriegst?« fragte er.
    »Nein.«
    Er sah mich vorwurfsvoll an. »Und du hast nichts gesagt?« »Es ist nicht der erste Brief, aber der erste, der mit CAIN unterschrieben ist.« »Wie waren die anderen unterschrieben?« »Ich habe bislang nur zwei rosarote Briefe bekommen, und sie waren überhaupt nicht unterschrieben.« »Hast du sie noch?«
    »Nein. Ich habe sie nicht für wichtig gehalten. Der Poststempel war Richmond, und die Botschaften waren seltsam, aber nicht beunruhigend. Ich bekomme häufig sonderbare Post.«
    »Hierher?«
    »Im allgemeinen ins Büro. Meine Privatadresse ist nicht eingetragen.«
    »Scheiße, Doc!« Marino stand auf und begann, auf und ab zu gehen. »Hat es dich nicht beunruhigt, als solche Briefe an deine nicht eingetragene Privatadresse kamen?«
    »Wo ich wohne, ist sicherlich kein Geheimnis. Du weißt doch selbst, wie oft wir die Medien bitten, unsere Häuser nicht zu filmen oder zu fotografieren, und trotzdem tun sie es.«
    »Was stand in den anderen Briefen?«
    »Wie dieser waren sie kurz. In dem einen wurde ich gefragt, wie es mir geht und ob ich noch immer so hart arbeite. Ich glaube, in dem anderen stand etwas davon, daß er mich vermißt.«
    »Dich vermißt?«
    Ich versuchte, mich zu erinnern. »So etwas wie: >Es ist zu lange her. Wir müssen uns wirklich wiedersehen.««
    »Bist du sicher, daß es dieselbe Person war?« Er blickte auf das rosarote Briefchen auf dem Tisch.
    »Ich glaube, ja. Offenbar kennt Gault meine Adresse wie du vorhergesagt hast.«
    »Wahrscheinlich ist er an deiner Bude vorbeigefahren.« Er blieb stehen und sah mich an. »Ist dir das klar?«
    Ich schwieg.
    »Ich sage dir, Gault hat sich angesehen, wo du wohnst.« Marino fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Verstehst du, was ich sage?«
    »Das muß gleich morgen früh ins Labor«, sagte ich.
    Ich dachte an die ersten beiden Briefe. Wenn sie auch von Gault stammten, hatte er sie in Richmond abgeschickt. Er war hier gewesen.
    »Du kannst nicht hierbleiben, Doc.«
    »Sie können den Poststempel analysieren. Wenn er die Briefmarke abgeleckt hat, müssen Speichelreste dran

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