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Die Tote ohne Namen

Die Tote ohne Namen

Titel: Die Tote ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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dem Einfahrtstor hab ich mir keine Sorgen gemacht. Er ist nicht mit seinem Leichenwagen reingefahren, weil einer Ihrer Wagen drinstand.«
    Ich dachte eine Weile nach. »Was für ein Wagen?« fragte ich. »Der blaue.«
    »Es steht kein Wagen in der Einfahrt«, sagte Marino.
    Evans machte ein langes Gesicht. »Aber heute nacht um drei stand einer da. Ich hab ihn doch genau gesehen, als ich ihm die Tür aufgehalten hab, damit er die Leiche reinschieben kann.«
    »Einen Moment«, sagte ich. »Was für ein Auto fuhr der Mann mit dem weißen Haar?«
    »Einen Leichenwagen.«
    Ich sah ihm an, daß er das nicht mit letzter Sicherheit wußte. »Sie haben den Wagen gesehen«, sagte ich.
    Er atmete frustriert aus. »Nein, hab ich nicht. Er hat gesagt, er hat einen, und ich hab einfach angenommen, daß er hinten auf dem Parkplatz steht, nahe beim Tor.«
    »Als Sie auf den Knopf gedrückt haben, um das Tor zu öffnen, haben Sie nicht gewartet und zugesehen, was für ein Wagen vorfuhr.«
    Er blickte auf die Tischplatte.
    »Stand ein Wagen in der Einfahrt, als Sie hinausgegangen sind und auf den Knopf in der Wand gedrückt haben? Bevor die Leiche hereingeschoben wurde?« fragte ich.
    Evans dachte eine Weile nach, er sah immer unglücklicher aus. »Verdammt«, sagte er mit niedergeschlagenen Augen. »Ich erinnere mich nicht. Ich hab nicht hingeschaut. Ich hab die Tür aufgemacht, auf den Knopf gedrückt und bin wieder reingegangen.« Er hielt inne. »Vielleicht war zu dem Zeitpunkt auch kein Wagen da.«
    »Die Einfahrt könnte da also leer gewesen sein?«
    »Ja, Ma'am. So könnte es gewesen sein.«
    »Und als Sie ihm ein paar Minuten später die Tür aufgehalten haben, damit er die Leiche reinschieben konnte, stand da ein Wagen in der Einfahrt?«
    »Da hab ich ihn gesehen«, sagte er. »Ich dachte, das ist einer von Ihren. Er sah aus wie einer von Ihren. Sie wissen schon, dunkelblau und nirgendwo Fenster außer vorne.«
    »Reden wir noch mal über den Mann. Er hat die Leiche in den Kühlraum geschoben, und Sie haben wieder zugesperrt«, sagte Marino. »Was geschah dann?«
    »Ich hab mir gedacht, daß er wieder geht, wenn er mit den Papieren fertig ist«, sagte Evans. »Ich bin zurück nach vorn gegangen.«
    »Bevor er das Leichenschauhaus verlassen hat?« Evans ließ erneut den Kopf hängen.
    »Haben Sie irgendeine Vorstellung, wann er das Gebäude schließlich verlassen hat?« fragte Marino.
    »Nein, Sir«, sagte der Wachmann still. »Ich kann nicht schwören, daß er überhaupt gegangen ist.«
    Wir schwiegen, als erwarteten wir, daß Gault in diesem Augenblick zur Tür hereinkäme. Marino stieß seinen Stuhl zurück und starrte auf die leere Türschwelle.
    Evans sprach als nächster. »Wenn das sein Wagen war, hat er das Tor vermutlich selber geschlossen. Ich weiß, daß es um fünf Uhr früh geschlossen war, weil ich eine Runde ums Haus gemacht habe.«
    »Tja, dafür muß man keine Intelligenzbestie sein«, sagte Marino unfreundlich. »Man fährt einfach hinaus, geht zurück, drückt auf den verdammten Knopf, und dann geht man durch die Tür an der Seite wieder hinaus.«
    »Der Wagen steht nicht mehr da«, sagte ich. »Jemand muß ihn hinausgefahren haben.«
    »Stehen beide Wagen draußen?« fragte Marino.
    »Sie standen draußen, als ich ankam«, sagte ich.
    Marino wandte sich an Evans. »Würden Sie ihn bei einer Gegenüberstellung wiedererkennen?«
    Evans sah auf, zu Tode erschrocken. »Was hat er getan?«
    »Würden Sie ihn wiedererkennen?«
    »Ich glaube, ja. Ja, Sir. Ich würd mein Bestes geben.«
    Ich stand auf und ging den Gang entlang zu meinem Büro. An der Schwelle blieb ich stehen und blickte mich um, so wie letzte Nacht, als ich mein Haus betreten hatte. Ich versuchte, die geringfügigste Veränderung zu entdecken - eine Falte im Teppich, einen Gegenstand, der nicht mehr genau wie vorher war, eine brennende Lampe, die nicht eingeschaltet sein sollte.
    Auf meinem Schreibtisch stapelten sich ordentlich Akten, die ich durchsehen mußte, und auf dem PC-Monitor leuchtete die Anzeige auf, daß Post auf mich wartete. Das Eingangskörbchen war voll, das Ausgangskörbchen leer, und mein Mikroskop steckte in einer Plastikhülle, weil ich ja beabsichtigt hatte, für eine Woche nach Miami zu fliegen.
    Das schien unglaublich lange her, und ich erschrak, als ich daran dachte, daß Sheriff Santa am Weihnachtsabend verhaftet worden war und daß sich seitdem die Welt verändert hatte. Gault hatte eine Frau namens Jane niedergemetzelt.

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