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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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haben sich in den alten Fleischgebäuden Modefirmen, Galerien, blabla angesiedelt.«
    »Überall siedeln sich Galerien an. Ich würde mir mehr von dem dreckigen New York wünschen, das ich aus Kojak kenne.«
    »Was ist Kojak?«
    Das war manchmal das Problem mit generationsüberschreitenden Partnerschaften.
    »Ein Kriminalpolizist aus dem Fernsehen. Held meiner Jugend.«
    Es schien Lena nicht besonders zu interessieren.
    »Samuel Weissberg … «
    »Er kann doch noch prima selbst rüberfliegen nach Deutschland. Hast du gesehen, wie der am Anfang hinter uns hergerannt ist?«
    Lena schwieg.
    »Das ist doch bloß pure Bequemlichkeit. Weil er grad mir zufällig begegnet, was über mich gelesen hat, soll ich seine Schwester suchen, die schon lange für tot erklärt ist. Wenn die Hilfsorganisationen schon vor fünfzig Jahren nichts gefunden haben, warum sollte ich das jetzt tun? Das ist doch völlig aussichtslos.«
    Lena sah ihn an, presste ihre Lippen aufeinander.
    Zbigniew wich ihrem Blick aus, legte sich auf den Fußboden und begann, eine Rückenübung zu machen. Natürlich war es hochgradig erniedrigend, jetzt eine solche Übung zu machen, aber er tat es jeden Abend und jeden Morgen. Langsam den Po hochdrücken, Wirbel für Wirbel den Oberkörper hochrollen. Anfangs hatte Lena noch darüber gelästert, inzwischen nahm sie es kaum noch wahr. Jetzt konnte sie sich aber einen Kommentar nicht verkneifen.
    »Verstehe. Dubist ja auch gerade nicht in der körperlichen Verfassung, so was zu tun.«
    Sie wollte ihn bloß provozieren, natürlich. Dass er ihr demonstrierte, wie er sehr wohl dazu in der Lage war.
    »Jetzt lass uns mal das Thema wechseln«, stöhnte Zbigniew vom Fußboden. »Was machen wir denn morgen? Harlem, Bronx?«
    »Ich fahr mit dir doch nicht in die Bronx. In deinem Zustand könntest du ’ne Frau wie mich ja gar nicht verteidigen.«
    »Eine Frau wie du kann sich eh am besten selbst verteidigen«, sagte Zbigniew. Er war gerade in einer recht anstrengenden Körperposition, die seinem Rücken aber sehr gut tat.
    »Wie meinst du das?«
    Zbigniew ließ seinen Rücken wieder Wirbel für Wirbel hinunter. Er sagte ihr lieber nicht, wie er es meinte.
    »Meinst du damit, ich strahle dir nicht genügend Weiblichkeit aus?«
    Zbigniew stöhnte, diesmal nicht wegen der körperlichen Anstrengung.
    »Du suchst eine zerbrechliche Frau«, skandierte Lena. »Eine, die du den ganzen Tag beschützen kannst. Ist es das, was du in Wirklichkeit willst?«
    »Nein, dann wäre ich bestimmt nicht mit dir zusammen«, antwortete Zbigniew. »Wir fahren morgen in die Bronx.«
    Lena blickte ihn unsicher an.
    Sie fuhren am nächsten Tag nicht in die Bronx, schafften es aber immerhin in einige abgelegene Teile von Harlem. Aber auch dort wirkte alles weitgehend aufgeräumt. Das New York aus der Kojak-Zeit, mit diesen heruntergekommenen »dark alleys«, in denen die Bewohner der Stadt bevorzugt überfallen wurden, war nicht mehr zu finden. Einige Tage später begaben sich Zbigniew und Lena in den Meatpacking District, und dort war alles noch viel schlimmer als im Reiseführer beschrieben. An jeder Ecke zwischen den alten Lagerhäusern wurde irgendein futuristischer Glasturm mit Luxusapartments gebaut. Sogar einige Markenstores von Filialketten hatten bereits Einzug gehalten in das architektonisch fast kleinstädtisch geprägte Ambiente, von dem man sich nur noch vorstellen konnte, dass es mal verrottet gewesen war.
    DieDämmerungbrachherein,alsZbigniewundLenaaufeinaltesLagerhauszugingen,vordembereitseinigerauchendeVernissagebesuchermitSektgläserninderHandstanden.EinenMomentlangbetrachtetenZbigniewundLenadieMenschenausderFerne.
    Es war kalt.
    »Irgendwie bin ich grad gar nicht in der Stimmung für so etwas«, sagte Zbigniew.
    »Wieso das? Hier erlebst du gleich das echte New York. Ohne Touristenprogramm.«
    »Ich bin doch Tourist. Ich finde es völlig in Ordnung, Tourist zu sein. – Außerdem sind wir sonst nachher zu spät.«
    Am Abend fand die Oscarverleihung statt. Zbigniew und Lena waren sich ursprünglich einig gewesen, sie im Hotel oder vielleicht auch in einer Bar zu schauen.
    Lena zuckte die Achseln.
    »Wir bleiben zwei Stunden. Das passt schon alles«, sagte sie.
    Sie blieben am Rand der Menschentraube stehen. Nun konnten sie durch eine große Glasfront in das alte backsteinerne Gebäude hineinschauen.
    In der Halle herrschte großer Andrang. Die Besucher schoben sich zwischen den riesigen Gemälden, die Zbigniew auf den ersten Blick

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