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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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nur als Farbklecksereien hätte beschreiben können, hin und her. Wieder dachte Zbigniew, dass die Menschen Ameisen waren. Bloß waren sie nun näher als vom Dach des Rockefeller Centers aus.
    Die meisten der Gäste waren außerordentlich gut gekleidet, die Männer sahen nach maßgeschneiderten Anzügen, die Frauen nach Fifth Avenue aus. Zbigniew hatte das Beste angezogen, was der Koffer hergab, aber da konnte er natürlich nicht mithalten.
    Andererseits gab es auch ein paar Gäste, bei denen die Kleidung überhaupt keine Rolle zu spielen schien. An der Spitze dieser Bewegung stand ein Mann in Jogginghose und Sandalen.
    Vielleicht der Künstler.
    Vor der Glasfront des Gebäudes schien niemand Zbigniew und Lena zu beachten. Die anderen Gäste unterhielten sich angeregt miteinander. Zbigniew fragte sich immer mehr, was er und Lena hier wollten. Sie kannten niemanden und die Bilder waren auf den ersten Blick auch nicht gerade von Interesse.
    »Lass uns reingehen«, sagte Lena und zog ihn an der Hand in den Ausstellungsraum. Zbigniew war überrascht, dass man sich ohne jegliche Kontrollen unter die Menschen mischen konnte. Ein anderes New York als das, welches er bislang kannte.
    In der Lagerhalle herrschte durch die Gespräche der Gäste starker Lärm; immerhin war die Luft durch die äußerst hohen Decken recht angenehm. Lena stellte sich vor ein etwa zwei Meter hohes, drei Meter breites Gemälde, das im Wesentlichen aus verschiedenen blauen Feldern mit dickem Farbauftrag komponiert war. »Antarctica, revisited #3«, sagte lakonisch ein kleines Schild an der Seite des Gemäldes. Lena schien andächtig in das Bild zu versinken, studierte es in allen Einzelheiten. Zbigniew versuchte, es ihr nachzuempfinden, doch es gelang ihm nicht. Schon nach kurzer Zeit verstärkte sich sein Gefühl, dass er eigentlich nur möglichst schnell fort von hier wollte.
    »Das freut mich ja sehr«, hörte er auf Englisch von hinten und dachte, es sei nur einer der vielen Gesprächsfetzen, doch als er sich umschaute, sah er Samuel Weissberg mit einem glücklichen Gesichtsausdruck auf ihn zukommen. Er streckte seine Hand aus, auch Lena drehte sich um. Sie begrüßten sich.
    »Mir gefällt das Bild hier«, deutete Lena auf die Antarktis.
    Weissberg betrachtete das Gemälde kurz mit einem Stirnrunzeln, zuckte die Achseln.
    »Ist der Künstler auch da?«, fragte sie begeistert. Sie schien Weissbergs Blick nicht mitbekommen zu haben. Oder sie sublimierte ihn in ihrer Begeisterung für den Ex-Cop.
    »Ja … «
    Weissberg schaute ein wenig suchend umher, dann deutete er auf einen unscheinbaren Mann, der etwas abseits stand und eher die Ausstrahlung eines jungen Investmentbankers hatte.
    »Neueste Generation, New York Academy of Art. Die sind schon arrogant, wenn sie aufgenommen werden auf der Schule.«
    »Wir dachten schon, der da ist der Künstler«, zeigte Zbigniew diskret auf den Mann in Sandalen.
    »Oh, nein, das ist Jesus «, sagte Weissberg. Dschiih-ses , so sprach er es aus, und so behielt Zbigniew es in Erinnerung. »Das ist einer der wichtigsten Sammlerberater in New York.«
    Zbigniew fragte sich, was ein Sammlerberater genau machte, aber sein Interesse war nicht so groß, die Frage auszusprechen.
    Ihn interessierte etwas anderes.
    Profaneres.
    »Und was kostet ein Bild hier so?«, wollte er wissen.
    »Das blaue, vor dem Sie stehen, kostet vermutlich so dreißigtausend Dollar.«
    »Oh.«
    Weissberg nickte.
    »Durch die Bankenkrise sind die Preise sehr in den Keller gegangen. Die jungen Künstler haben es heute sehr schwer, sagt zumindest eine Freundin von mir.«
    Sehr schwer, dachte Zbigniew. Andererseits, bei den Mieten hier …
    »Sehen Sie sich um, holen Sie sich einen Sekt. Und ich würde mich freuen, wenn wir nach der Vernissage noch ein wenig reden würden. Ich schätze mal, der Spuk hier endet so um zehn Uhr«, sagte Weissberg, »die Hälfte wird schon um acht gehen, wegen der Oscars.«
    Er lächelte, fast im gleichen Moment wurde er von einem anderen Herrn in seinem Alter angesprochen. Die beiden umarmten sich kurz, Weissberg wurde von dem Herrn fortgezogen, sie begannen ein Gespräch.
    Zbigniew und Lena sahen sich an.
    »Also, wenn ich eines im Leben weiß … bis zehn bleib ich hier nicht. Auch mal ganz abgesehen von den Oscars«, sagte Zbigniew.
    Lena sah ihn unzufrieden an.
    »Das kapier’ ich nicht. Ich mein’, die Oscars, das können wir auch morgen in der Zeitung lesen. Aber das hier, das ist echt. Das sind hier Künstler.

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