Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
Vom Netzwerk:
Vater, es war ja eine schreckliche Zeit für die Juden damals in Ihrem Land, eine ganz schreckliche Zeit. Samuel hat Ihnen sicher die Geschichten erzählt, er erzählt sie ja jedem. Und der gute Samuel hat mir auch bereits von Ihnen ganz viel erzählt. Was Sie Tolles geleistet haben in Frankreich und überhaupt. Ich wäre jetzt gar nicht zu Ihnen gekommen und hätte sie belästigt, aber Samuel hat in den letzten Tagen nur von Ihnen geredet … «
    Ihre Augen glänzten vor Erregung, sie schwieg einen Moment. Zbigniew hatte gar nicht mehr damit gerechnet, dass sie aufhören würde zu reden.
    »Und was haben Sie hier mit der Ausstellung zu tun?«, wagte er zu fragen, um das Thema zu wechseln. Damit seine Hybris nicht noch mehr Nährboden erhielt.
    Delia Johannsen lachte schallend.
    »Die Galerie gehört mir. Gefallen Ihnen die Bilder?«
    Keine Frage, was die richtige Antwort war, unter diesen Umständen.
    »Ja, sehr.«
    »Oh, wie wundervoll. Wissen Sie … «
    Dieses Mal hörte sie nicht auf zu reden. Sie schwärmte von ihrem Künstler, beschrieb dessen Arbeits- und vor allem Lebensweise. Sie wies Zbigniew auf einige Details in den Gemälden hin. Mit einem beiläufigen »Wissen Sie, mein Mann macht sich leider nichts aus Kunst, er ist auch gar nicht hier« schwenkte Delia Johannsen dann um zu erstaunlichen Indiskretionen aus ihrem Beziehungsleben.
    Zbigniew fragte sich, ob diese Frau nur ausnahmsweise so zutraulich war oder ob bei ihr ohnehin das gesamte Leben blank lag. Und ob alle New Yorkerinnen so waren.
    Das Bequeme war, weder er noch Lena mussten viel sagen oder fragen. Die Frau erzählte alles von alleine.
    Plötzlich sprach sie wieder von Samuel Weissberg. Zbigniew blickte sich um, der Ex-Cop war nicht zu sehen.
    »Er hat es wirklich nicht leicht gehabt«, sagte Delia Johannsen. »Und die Suche nach seiner Schwester ist wie eine Obsession für ihn. Eine Obsession. Sie ist sicher tot und begraben, aber er will das nicht einsehen. Sehen Sie es ihm nach, wenn er Sie damit behelligt. – Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir ein wenig nach draußen gehen, damit ich meinem Laster frönen kann?«
    Zbigniew war es egal, aber Lena hatte nichts dagegen, im Gegenteil. So folgten Zbigniew und Lena der Amerikanerin durch die Menge Richtung Ausgang. Lena flüsterte in sein Ohr:
    »Siehst du, das ist es, was ich meine mit dem echten New York. Ist doch voll interessant, wie die hier ticken.«
    Zbigniew nickte der Einfachheit halber.
    Endlich waren sie im Freien. Delia Johannsen gesellte sich zu einer älteren, sehr elegant wirkenden und feinzügigen Dame, die ihre dünne Zigarette aus einer Zigarettenspitze rauchte. Delia stellte die Dame als ihre Mutter vor. Zbigniew war nur mäßig überrascht, als sie während des Händeschüttelns ein in perfektem Französisch vorgetragenes »Enchantée« hauchte.
    Delia gab Lena Feuer. Zbigniew begriff, dass er inmitten einer Koalition von Raucherinnen aus drei Generationen stand. Die Frauen begannen, sich rege zu unterhalten – darüber, dass man in New York nirgendwo mehr rauchen könne. Mehr und mehr fragte sich Zbigniew, warum er nicht schon längst allein ins Hotel oder in eine Bar gegangen war. Zum Fernsehschauen, so wie Lena es ihm vorgeschlagen hatte.
    Die Uhr auf seinem Handy zeigte halb acht.
    Zbigniew beobachtete eine Gruppe junger Menschen, die das Lagerhaus verließen und augenscheinlich den Weg zur U-Bahn antraten.
    Oscarnacht.
    Delia Johannsen unterbrach ihn in seinen Gedanken.
    »Kommen Sie nachher noch mit ins Melville’s ? Wir feiern da noch ein bisschen.«
    Lena nickte glücklich.
    »Klar!«, rief sie vergnügt.
    »Ich weiß noch nicht so recht«, entgegnete Zbigniew stattdessen vorsichtig. »Ich bin schon ziemlich müde, wir haben heute so viel besichtigt … «
    »Ja, ist es nicht eine wunderbare Stadt?«, sagte Delia mit Leuchten in den Augen.
    Plötzlich meldete sich ihre Mutter zu Wort.
    »Es würde Samuel glücklich machen. Er ist ein sehr kranker Mann«, sagte die alte Dame und sog an ihrer Zigarette.
    Zbigniew verkniff sich nachzufragen.
    »Was hat er denn?«, fragte Lena.
    Delia Johannsen tauschte einen Blick mit ihrer Mutter.
    »Hat er Ihnen das nicht gesagt? Das sieht ihm ähnlich. Erzählt seine ganze Lebensgeschichte, aber das Wichtigste verschweigt er. Nun, er ist sehr stolz«, antwortete Delia. »Krank sein bedeutet für ihn eine Schwäche, er mag nicht zugeben, dass er Krebs hat. Auch noch Prostatakrebs, das ist für einen Mann immer schlimm. Klingt

Weitere Kostenlose Bücher