Die tote Stadt: Frankenstein 5: Roman (German Edition)
Statt ziellos durch die Gegend zu gondeln, würde er auf direktem Wege zu einem Parkplatz fahren, wo er alles im Auge behalten konnte, was sich ihm näherte, wo aber die Auspuffgase des laufenden Motors keine Aufmerksamkeit auf sich lenken würden, sodass er sich aufwärmen konnte und Zeit zum Nachdenken gewann. Vielleicht in der letzten Reihe der Gebrauchtwagen auf dem geschlossenen Parkplatz eines Autohändlers, weit zurückversetzt von der Straße. Oder auf dem Parkplatz des großen Supermarkts an der Ursa Avenue. Der Laden würde jetzt geschlossen sein, der Parkplatz leer, und eine dunkle Ecke dort könnte genau der richtige Ort sein.
Als er nach der nächsten Kreuzung vor einem Haus den alten Chevy fand – Winterreifen, aber keine Schneeketten –, probierte er, die Fahrertür zu öffnen. Er wagte zu glauben, sein Glück hätte ihn vielleicht doch nicht verlassen, als sich der Wagen als nicht abgeschlossen erwies. Er hatte eine Stabtaschenlampe und ein Federmesser mit vielen Funktionen, aber das Glück war tatsächlich auf seiner Seite; er brauchte den Chevy nicht kurzzuschließen, da er den Schlüssel unter der Bodenmatte fand.
Trotz der Kälte sprang der Wagen sofort an. Der Motor klang getuned und als wäre er in einem guten Zustand. Er schaltete kühn die Scheinwerfer an, löste die Handbremse und legte den ersten Gang ein, wobei er fast damit rechnete, einen Schrei zu hören und den wütenden Besitzer die Stufen von der Veranda vor dem Haus hinunterspringen zu sehen. Aber es erhob sich kein Protest, als er den Wagen auf die Straße lenkte und losfuhr.
Der Chevy brauchte Zeit, um warm zu laufen, bevor die Heizung funktionierte. Während er fuhr, sah Frost dem ersten Schwall Warmluft mit keiner geringeren Vorfreude als der entgegen, mit der er sich auf ein Filet Mignon zum Abendessen gefreut hätte – oder auf Sex. Im früheren Verlauf des Tages hatte er sich Tagträumen über eine Zeit in fünfzehn oder zwanzig Jahren hingegeben, zu der er auf einer tropischen Insel oder in einem Urlaubsort in der Wüste seinen Ruhestand genießen würde, wo keine Handschuhe oder Wintermäntel verkauft wurden, weil niemand sie jemals gebrauchen konnte. Jetzt wagte er nur noch, fünfzehn oder zwanzig Minuten vorauszudenken, und sein Ziel war das schlichte Überleben.
Von den Wahlmöglichkeiten, die ihm offenstanden, war der Parkplatz des Supermarkts die nächstgelegene, und er ließ Straße für Straße nicht in seiner Wachsamkeit nach, um bloß keinem Streifenwagen zu begegnen. Als die Wär me endlich durch die Lüftungsschlitze kam, begriff er, dass ihm der Chevy mehr als Beweglichkeit und Wärme bot. Er schaltete das Radio an – und entdeckte, dass die Invasion von Aliens nicht so geheim war, wie er befürchtet hatte, und dass es keine Invasion von Aliens war.
51.
Nummy stellte sich quer. Er sagte Nein zu Mr Lyss, dem es nicht passte, wenn jemand Nein zu ihm sagte. Nummy sagte Nein, Nein, Nein, es ginge nicht an, dass sie das Mons ter im Wagen mitnehmen würden. Zu dieser Szene kam es mitten in dem Wohnzimmer, wo der Klavierspieler neben dem Klavier stand und Mr Lyss das Gewehr mit dem langen Lauf auf ihn gerichtet hielt. Großmama hatte Nummy beigebracht, immer nett zu anderen Leuten zu sein. Sie hatte ihm aber auch beigebracht, sich nicht von anderen Leuten ausnutzen zu lassen und sich so nett wie möglich zu widersetzen, wenn jemand darauf bestand, dass er etwas tat, wovon er wusste, dass es nicht richtig war.
Der falsche Boze sagte, er sei keines von diesen Dingern, die Leute verschlangen. Er sagte, er sei nicht aus einem Kokon gestiegen, sondern aus einem Gerät in einem Laboratorium. Diese Kokondinger hießen Baumeister, und er wurde Kommunitarist genannt und konnte ebenso wenig jemanden fressen, wie er sich umbringen konnte.
Nummy glaubte ihm kein Wort. Monster waren Monster. Sie taten immer das, was Monster taten. Sie waren immer ekelhaft und nie auch nur annähernd nett, und das war der Grund, weshalb sich Nummy ihre Filme nicht ansehen wollte. Wenn Monster Menschen töteten und Menschen fraßen und ihnen sogar noch schlimmere Dinge antaten, dann würden sie natürlich auch lügen. Auf eine Lüge mehr oder weniger würde es da gar nicht mehr ankommen. Sogar ein Dummkopf wusste das.
Mr Lyss war kein Dummkopf, aber er glaubte dem Mons ter. Er sagte, das Monster hätte gesehen, was der Boze gesehen hatte, als der Boze gestorben war, und jetzt sei das Monster irgendwie kaputtgegangen und könnte nicht mehr
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