Die tote Stadt: Frankenstein 5: Roman (German Edition)
Kostüm.
Sie würden die Vergangenheit verschlingen, aber keine Zukunft erschaffen. Es würde eine unaufhörliche Revolution sein, bis die Revolution sogar sich selbst verschlang. Und dann: nichts.
Ein weiterer Baumeister reifte zum Moment des Schlüpfens heran. Er trat in den Keller des Gerichtsgebäudes. Kleidungsstücke bildeten sich: Anzug, weißes Hemd und Krawatte.
Er war die Revolution. Nur eine unaufhörliche Revolution konnte eine legitime Revolution sein. Was sich erneuerte, musste seinen Sinn aus der Bewegung schöpfen. Wenn es aufhörte, sich zu erneuern, hatte es keinen Sinn mehr.
Sie, sie, er. In Wahrheit waren sie geschlechtslos. Ihr Geschlecht war, streng genommen, ihre Tarnung. Jeder von ihnen war ein Es, eine Kolonie vieler winziger geschlechtsloser Wesen, und hatte zwei Ziele: zu zerstören und sich ungeschlechtlich zu vermehren.
Ein weiterer Kokon barst und spie aus. Ein fünfter und ein sechster Kokon warfen ihre Frucht in die Welt. Zwei Männer, eine Frau; jeder von den dreien ein Es.
Sie waren die Revolution. Sie waren der reinste Hass, die vollkommenste Wut. Ihr Hunger war so gewaltig wie die Anziehungskraft eines schwarzen Lochs, das ganze Welten in den Untergang ziehen konnte.
Andere Kokons im Keller des Gerichtsgebäudes waren noch nicht reif.
Die sechs machten sich auf den Weg und stiegen die Treppe zum Erdgeschoss hinauf.
Das Gerichtsgebäude stand stumm da. Es würde jahrzehntelang stumm dastehen, bis es durch mangelnde Instandhaltung einstürzte.
Draußen stiegen sie die Stufen vor dem Gericht hinunter wie sechs Zeitschriftenmodels, die damit rechneten, dass sie von ihrem Starfotografen erwartet wurden.
Sie glitten nicht im Schnee aus. Ihre Schuhe waren in Wirklichkeit ein Teil ihrer Substanz, der sich als Schuhe ausdrückte, und somit waren sie barfuß. Aber auch ihre Füße waren nur eine Illusion von Füßen und die Sohlen und die Fersen, die auf den schneebedeckten Bürgersteig trafen, in Wirklichkeit Millionen von Nanotieren, die zupackten, losließen und wieder zupackten. Ihre Bodenhaftung und ihr Gleichgewicht waren dergestalt, dass sie in ihrer menschlichen Maskerade nie ausrutschen oder stolpern konnten.
Als sie auf die Straße traten und sich in der Gegend umsahen, hätten sie Verdacht erregen können, da ihre Gesichter im Lampenschein exquisit modelliert waren; hier war mehr makellose Schönheit zu betrachten als in einer Ausstellung von Botticellis Meisterwerken. Und in der Kälte bildete ihr Atem keine bleichen Schwaden, die sie wie Rauch ausstießen, denn obwohl sie als Menschen durchgingen, hatten sie keine Lunge.
Um das Gerichtsgebäude herum standen klassische alte Privathäuser, vorwiegend im Federal Style und aus der viktorianischen Zeit. Die sechs trennten sich voneinander, um Besuche zu machen.
Rusty Billingham sang leise vor sich hin, als er durch den Schnee nach Hause lief. Rusty sang mit Begeisterung. Er schrieb seine eigenen Songs, und die Leute schienen sie zu mögen. Er spielte gut Gitarre, aber er spielte auch auf dem Synthesizer und konnte daher allein wie eine ganze Combo klingen. Von Zeit zu Zeit trat er in einer Bar, auf einer Hochzeit oder auf einer Geburtstagsfeier auf. Dabei sprang nicht viel Geld heraus, aber er erwartete nicht, mit seiner Musik die dicke Kohle zu machen, und daher war er nicht enttäuscht.
Ein Talentscout hatte Rusty eines Abends im Pickin’ and Grinnin’ gehört, dem Rasthaus, das Bürgermeister Potter gehörte, und gesagt, er könnte ihm in vier Staaten regelmäßige Arbeit besorgen. Aber Rusty reiste nicht gern. Er war für ein paar Jahre im Mittleren Osten im Krieg gewesen, und das hatte ihn von dem Wunsch kuriert, neue Orte zu sehen. Mit siebenundzwanzig kam er nach Hause zurück, und jetzt, mit dreißig, hatte er vor, in Rainbow Falls zu bleiben, bis er einen Bestattungsunternehmer brauchte.
Der Talentscout hatte einer Künstleragentur Aufnahmen von Rustys Songs gegeben, und der Agent hatte ge wollt, dass Rusty nach Nashville kam, alles auf Spesen, um seine Zukunft mit ihm zu diskutieren. Aber Rusty hatte Nein, danke gesagt. Er gab sich keinen Illusionen über sich selbst hin. Er konnte Musik schreiben und singen, aber er hatte nicht das Aussehen, um es im großen Stil professionell zu betreiben. Er war im selben Maß nicht attraktiv, in dem Montana nicht Afghanistan war. Tatsächlich sah er ein bisschen vertrottelt aus, auf nette Weise vertrottelt, aber eben doch vertrottelt. Die Zeiten der nicht-attraktiven
Weitere Kostenlose Bücher