Die Tote von Buckingham Palace
dagegen geprallt. Auch eine hohe Kommode stand schräg an der Wand, eine Schachtel mit Manschetten- und Kragenknöpfen, die vermutlich darauf gelegen hatte, hatte ihren Inhalt auf dem Teppich verstreut, daneben sah er Bürsten mit silbernem Griff. Julius Sorokine lag mit dem Gesicht nach unten reglos am Boden. Er trug lediglich Hemd und Hose.
Pitt schloss die Tür und trat zu ihm, beugte sich über ihn und legte ihm oberhalb des Kragens prüfend einen Finger an den Hals. Der Puls schlug gleichmäßig, und noch bevor sich Pitt aufrichten konnte, begann sich Sorokine zu bewegen.
»Setzen Sie sich langsam auf, Mr Sorokine«, sagte Pitt.
Sorokine drehte sich auf den Rücken und öffnete die Augen. Er sah Pitt offenkundig verwirrt an. »Was tun Sie hier?«, fragte er mit rauer Stimme. Er hustete, setzte sich auf und zuckte dabei vor Schmerz zusammen. Sein Haar war wirr. Das Gesicht war voller Abschürfungen. Über eine Wange lief eine große Schramme. Lippen und Kinn waren von Blut verschmiert. Im Unterschied zu Dunkeld war er bereits rasiert. Möglicherweise hatte er dazu kaltes Wasser benutzt, denn nichts wies darauf hin, dass sein Kammerdiener da gewesen war, um ihm heißes Wasser zu bringen.
»Was ist geschehen, Mr Sorokine?«, fragte Pitt. »Bleiben Sie bitte am Boden sitzen«, forderte er ihn auf. Er fürchtete, dass der Mann erneut anfangen könnte, um sich zu schlagen, wenn er aufstand. Er war mindestens ebenso groß wie Pitt und vermutlich in bester körperlicher Verfassung.
Sorokine öffnete und schloss einige Male die Augen. Dann kam ihm die Erinnerung. »Großer Gott! Minnie!« Er traf Anstalten aufzustehen.
Pitt drückte ihn mit einer Hand wieder zu Boden, sodass er ein wenig zur Seite rollte. »Was ist geschehen, Mr Sorokine?«
Ein Schauer überlief Sorokine. »Cahoon ist wie ein Irrer hier reingestürmt, hat irgendwas über Minnie geschrien und dann wie verrückt auf mich eingedroschen.« Er betastete sein Gesicht und betrachtete dann seine Finger, die voll Blut waren. »Er hat mich gegen das Bett geschmettert. Als ich wieder auf den Beinen war, habe ich ihn gefragt, was zum Teufel das sollte. Er hat dann was Unverständliches gebrüllt und sich wieder auf mich gestürzt. Diesmal habe ich es kommen sehen und zurückgeschlagen. Ich habe ihn gegen die Kommode geschleudert, und alles ist durch die Luft geflogen.« Er schüttelte den Kopf und zuckte dann zusammen. »Ich dachte, das würde ihn zur Vernunft bringen, aber nichts da. Er schien ganz und gar aus dem Häuschen zu sein.« Er sah verwirrt drein.
»Dann hat er wieder auf mich eingedroschen«, fuhr er fort. »Zuerst mit der linken Faust, und dann, weil ich mich geduckt habe, mit der rechten. Wir haben uns dann noch eine Weile geprügelt. Es war lachhaft, wie zwei Betrunkene in einer dunklen Gasse. Dann habe ich wohl einen ziemlich schlimmen Schlag eingesteckt, und von allem, was danach war, weiß ich nichts mehr.« Wieder öffnete und schloss er die Augen mehrere Male rasch hintereinander. »Was sagt eigentlich Minnie? Wir haben einen fürchterlichen Krach gemacht. Bestimmt hat sie uns gehört. Hat sie Sie gerufen? Das ist doch grotesk. Ich denke nicht im Traum daran, gegen Cahoon gerichtlich vorzugehen. Immerhin ist er mein Schwiegervater.«
Fast hätte Pitt ihm Glauben schenken können. »Ich bedaure, Mr Sorokine, aber Ihre Frau ist tot.«
Sorokine sah aus, als habe ihm Pitt einen empfindlichen Schlag versetzt. »Was?«
War es möglich, dass der Mann an einer geistigen Verwirrung
litt, die seine Erinnerung an sein eigenes Tun auslöschte? Wenn er selbst nicht wusste, dass er der Schuldige war, wie hätten dann andere etwas davon merken können?
»Tut mir leid«, sagte Pitt laut und deutlich. »Mrs Sorokine ist tot.«
»Wie das?«, wollte Sorokine wissen. »Es war doch nicht etwa Olga, oder? Die arme Frau.« Erneut schloss er die Augen und holte Luft, als wolle er noch etwas sagen, überlegte es sich dann anders und sah Pitt abwartend an.
»Nein, Sir. Was mir Mr Dunkeld beschrieben hat, hat ihr keine Frau angetan. Ich bedaure sehr, dass ich Sie einstweilen hier einschließen muss, bis ich eine Möglichkeit habe, Verbindung mit meinem Vorgesetzten, Mr Narraway, aufzunehmen und er mir einige Männer schickt. Ich werde dafür sorgen, dass ein Dienstbote Ihnen etwas zu essen bringt und Ihnen auch ärztliche Hilfe beschaffen, wenn Sie die brauchen.«
»Ich?« Sorokine schien nicht zu begreifen, was Pitt gesagt hatte.
»Ja. Mr Dunkeld sagte
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