Die Tote von Buckingham Palace
aus den ersten Kreisen, der im Buckingham-Palast zu Gast ist, vergewaltigt eine Prostituierte und schlitzt sie auf – und Sie suchen nach einem Sinn!«, schleuderte ihm Dunkeld entgegen, dessen Wut und Qual sich endlich Bahn brachen. »Der viele Alkohol hat Ihr Gehirn umnebelt. Ich versuche nicht die Sache zu erklären, sondern spreche von dem, was Minnie herausbekommen hat!«
Elsa fand die Situation unerträglich. Sie war nicht bereit zu glauben, dass Julius so war, wie ihn Dunkeld darstellte. »Wenn Minnie dir all das gesagt hat, warum hast du sie dann nicht beschützt?«, hielt sie ihm vor. »Du wirfst Pitt vor, Julius nicht früher festgenommen zu haben, hast ihm aber von all dem nichts gesagt.«
Er ging darüber hinweg, doch an der Art, wie sich sein Nacken rötete, sah sie, dass er sehr wohl gehört und verstanden hatte. »Minnie hatte begriffen, dass man die Frau unmöglich in der Wäschekammer getötet haben konnte«, fuhr er scheinbar ungerührt fort, »und dass das zerbrochene Porzellan der Schlüssel zu der ganzen Geschichte war.«
»Hat sie Ihnen das gesagt?«, fragte Quase.
»Selbstverständlich nicht«, knurrte Dunkeld. »Ich habe mir das zusammengereimt.«
»Aber zu spät, um ihr zu helfen«, gab ihm Elsa zu verstehen.
»Das weiß ich selbst!«, fuhr er sie an. »Was du da sagst, Elsa, ist nicht nur idiotisch, sondern ausgesprochen niederträchtig.«
Sie war zu wütend und zu verzweifelt, als dass es ihr noch etwas ausgemacht hätte, vor den anderen von ihm gedemütigt zu werden. »Aber es stimmt. Du hast Minnie jeden Tag gesehen und mit ihr gesprochen, und du hast auch Julius gekannt. Wenn du die wahren Zusammenhänge erst entdeckt hast, als es zu spät war, ist es da von dir nicht mehr als heuchlerisch, genau das dem Polizisten vorzuwerfen?«
Das Blut stieg ihm ins Gesicht, sodass es puterrot wurde. Sie war sicher, dass er sie geschlagen hätte, wenn sie in diesem Augenblick allein gewesen wären. Sie erkannte es an seinem Blick, und ihr war klar, dass er das gemerkt hatte. Sie hasste ihn um Minnies und um Julius’ willen, aber auch wegen ihres eigenen Schuldbewusstseins. Sie hatte sich nicht so um Minnie gekümmert, wie das ihre Pflicht gewesen wäre. Sie hatte sie weder beschützt noch ihr Gelegenheit gegeben, ihr anzuvertrauen, was sie Entsetzliches entdeckt hatte. Sie konnte sich nicht verteidigen, sondern nur noch angreifen. »Doch inwiefern soll all das beweisen, dass Julius die Tat begangen hat?«, fragte sie. »Nur wer den Weg zu den Privatgemächern der Königin kannte, hätte sie aufsuchen können. Woher sollte er wissen, wo sie sich befanden? Er war noch nie im Leben dort. Wie soll er überhaupt da hingekommen sein?«
Alle sahen Dunkeld an.
»Wer sagt Ihnen denn, dass es sich um die Privatgemächer der Königin handelt?«, erkundigte sich Quase.
»Das Limoges-Porzellan stammte von dort, Sie Dummkopf!«, blaffte ihn Dunkeld an.
»Und woher wissen Sie das? Haben Sie es da gesehen?«, hakte Quase nach.
»Auf jeden Fall müssen ja wohl die Laken mit dem Monogramm
der Königin von dort gekommen sein«, sagte Dunkeld mit übertriebener Geduld. »Und definitiv hat es sich nicht um die Privatgemächer des Prinzen gehandelt. Ich hoffe nicht, dass Sie jetzt behaupten, es hätten ebenso gut die der Prinzessin sein können?«
Quase zuckte die Achseln. »Klingt schlüssig«, räumte er ein.
»Vielen Dank.« Dunkeld neigte spöttisch den Kopf.
Die Mahlzeit nahm ihren Fortgang in nahezu vollständigem Schweigen. Das leiseste Klirren eines Glases, die kleinste Berührung eines Besteckteils mit dem Teller wirkte störend und laut. Als der letzte Gang abgetragen war, schützte Olga Kopfschmerzen vor und ging. Da die Männer den Raum nicht verließen, sondern am Tisch sitzen blieben, zogen sich Elsa und Liliane in eine Ecke des Raumes zurück. Sie bedeuteten den Dienstboten, dass sie nichts weiter wünschten und für den Rest des Abends nichts brauchten.
Das Schweigen zwischen den Frauen klirrte vor Spannung. Immerhin ging es um Gefühle, über die seit Jahren niemand gesprochen hatte. Beide hatten Angst um einen Mann, den sie liebten. Bei Liliane Quase ging es ganz offensichtlich um ihren Mann, wogegen niemand etwas einwenden konnte. Elsas Liebe war so von Einsamkeit umgeben und so sehr von Unsicherheit belastet, dass dies in ihr einen fortwährenden dumpfen Schmerz erzeugte. Die Situation war unerträglich.
»Glauben Sie, dass mein Mann recht hat?«, begann sie mit zitternder Stimme.
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