Die Tote von Buckingham Palace
auf die arme Frau in Stücke geschlagen.«
Der Prinz nickte nur. Sein Gesicht war aschfahl, seine Augen blickten starr. Ganz unübersehbar war es ihm mehr als peinlich, vor Pitt – und möglicherweise vor allen anderen – als ein Frauenheld dazustehen, der seine Abenteuer nicht zu Ende zu bringen vermochte.
»Er hat Ihnen nahegelegt, selbst nichts zu sagen, dann käme schon alles in Ordnung. Er hat erklärt, er werde den Staatsschutz
rufen, weil dieser dafür sorgen werde, dass von der Sache nichts an die Öffentlichkeit dringt«, fuhr Pitt fort.
»Aber was ist mit Sorokine?«, fragte der Prinz zweifelnd. »Wieso hat er seine arme Frau umgebracht, wenn er gar nicht schuldig war?«
»Das hat er nicht getan«, sagte Pitt schlicht. »Sie hat die Zusammenhänge erkannt und ihren Vater wohl damit konfrontiert. Ich nehme nicht an, dass er die Absicht hatte, sie zu töten. Er dürfte versucht haben, sie zum Schweigen zu bringen, und dabei haben beide wohl die Beherrschung verloren. Sie waren einander sehr ähnlich. Als Mr Dunkeld aufging, dass er zu kräftig zugeschlagen hatte, musste er dafür sorgen, dass es so aussah wie bei der vorigen Mordtat und bei der in Afrika, für die ihn niemand zur Rechenschaft ziehen konnte. Es muss ihm ungeheuer schwergefallen sein, sie auf diese Weise zuzurichten, auch wenn sie schon tot war.« Das Bild von Minnies Leiche mit den züchtig verhüllten Brüsten und dem aufgeschlitzten Unterleib trat ihm vor Augen. Sie war nicht auf die gleiche Weise hingemetzelt worden wie die anderen Frauen.
Der Kronprinz sah ihn mit unverhülltem Entsetzen an.
»Er muss die ganze Nacht gewartet haben«, fuhr Pitt fort. »Man kann sich kaum vorstellen, wie entsetzlich das für ihn gewesen sein muss, allein mit ihrer Leiche. Am frühen Morgen hat er dann Sorokine die Tat vorgeworfen und sich mit ihm geprügelt, damit er die Verletzungen, die ihm seine Tochter zugefügt hatte, als sie um ihr Leben kämpfte, auf die Auseinandersetzung mit Mr Sorokine schieben konnte.«
»Grundgütiger Gott im Himmel!« Der Prinz stieß die Luft aus. »Und was werden Sie jetzt tun?«
»Ihn festnehmen und Sorokine freilassen«, sagte Pitt. »Ich hoffe, dass wir die Sache nach wie vor so unauffällig behandeln können, wie es irgend geht. Allerdings wird es keine Möglichkeit geben, Dunkeld wegzuschließen und zu sagen, er sei geistesgestört. Es wird sich nicht vermeiden lassen, ihn einem Gerichtsverfahren zu unterziehen, zumindest weil er Mrs Sorokine getötet hat. Sofern
sich eine andere Lösung finden lässt, werden wir darüber nachdenken.«
Der Prinz schluckte schwer. »Bitte … versuchen Sie …«
»Ja, Sir, selbstverständlich.«
Pitt kehrte in sein Arbeitszimmer zurück und fand dort Narraway, der ungeduldig wartend mit großen Schritten auf und ab ging. Gracie befand sich nach wie vor dort, als sei sie eine Schildwache.
»Stimmt das, was sie sagt?«, fragte Narraway, kaum, dass Pitt die Tür hinter sich geschlossen hatte. Sein Gesicht war angespannt, seine Augen lagen tief in ihren Höhlen.
Pitt brauchte nicht zu fragen, was Gracie gesagt hatte; ihm war klar, dass sie alles richtig verstanden hatte. »Ja«, sagte er. »Ich habe mir das gerade vom Kronprinzen bestätigen lassen. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass er in Panik geriet, als er beim Aufwachen eine nackte weibliche Leiche neben sich im Bett der Königin fand. Bestimmt hat er sich ihr Gesicht nicht gründlich genug angesehen, um festzustellen, dass es nicht die war, mit der er geschlafen hatte – vorausgesetzt, er hatte sie sich überhaupt angesehen.«
»Ein schändlich diabolischer Plan und eiskalt ins Werk gesetzt!« Narraway machte seinen Empfindungen durch heftiges Fluchen Luft. Er warf einen Blick zu Gracie hinüber und überlegte flüchtig, ob er sich bei ihr für seinen Ausbruch entschuldigen sollte. Schließlich war sie in dieser Situation etwas anderes als eine bloße Dienstbotin. Sein besseres Ich gewann die Überhand. »Verzeihung«, sagte er.
»Macht nix«, erwiderte sie gnädig.
Ein Ausdruck von Überraschung trat auf sein Gesicht, dann nickte er dankend.
Pitt unterdrückte ein Lächeln. »Wir müssen Dunkeld wegen der Tötung seiner Tochter festnehmen«, sagte er, »unabhängig davon, ob die Geschworenen danach auf Mord oder Totschlag befinden. Und Sorokine die Freiheit schenken. Darauf freue ich mich schon richtig.«
»Einen Augenblick noch!« Narraway hob die Hand, als wolle er Pitt zurückhalten. »Können wir das
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