Die Tote von Buckingham Palace
Königin lag. Ganz davon abgesehen, konnte er weder wissen, welche der Frauen es sein würde, noch mit welchem der Männer sie zusammen sein würde.« Er biss sich auf die Lippe. »Dunkeld hat das Blut mit hergebracht und, was noch wichtiger ist, auch den Tafelaufsatz.«
»Weil er gewusst hat, wo das passieren würde«, beendete sie seine Gedankenkette. Die Kälte kroch ihr bis in die Eingeweide. »Und was, wenn der Prinz wach geworden is’, ganz voll Blut, sie aber nich’? Dann wär’s doch egal, wo man se umgebracht hat.« Sie schluckte. »Kann es nich’ sein, dass das gar nich’ hier war? Vielleicht war in der Kiste, die man gebracht hat, ’ne andre Leiche. Sadie is in die Kiste gestiegen und rausgebracht worden, ohne dass jemand was davon gewusst hat – nur Mr Dunkeld.«
Pitt sah sie an wie vom Donner gerührt. Allmählich erkannte er den teuflischen Mordplan. »Natürlich! Er hat die Frauen in den Palast geholt!«, rief er aus. »Sie müssen alle in seinen Plan eingeweiht gewesen sein, den Prinzen zu erpressen, damit dieser Dunkeld bei seinem Eisenbahnprojekt unterstützt, ganz gleich, was er selbst davon hält. Gleichzeitig hat Dunkeld die günstige Gelegenheit genutzt, Sorokine aus dem Weg zu räumen.«
Gracie zwinkerte. »Heißt das, er hat auch Mrs Sorokine umgebracht? Hatte die ihr’n Vater im Verdacht, weil er den Tafelaufsatz mitgebracht hatte?«
Sein Gesicht verzog sich vor Mitgefühl. »Die arme Frau. Ihre Klugheit hat sie das Leben gekostet. Vermutlich lag es nicht in
seiner Absicht, sie zu töten. Sicher hat er lediglich die Beherrschung verloren und …«
»Man schneidet aber doch keinem die Kehle durch, weil man die Beherrschung verliert«, gab Gracie zu bedenken. »Und man schlitzt dem dann bestimmt nich’ auch noch ’n Bauch auf.«
»Er musste dafür sorgen, dass es genauso aussah wie bei dem anderen Mord«, gab Pitt zu bedenken. »Und dieser wiederum musste das gleiche Muster aufweisen wie die Tat in Kapstadt.«
»Und woher hat er gewusst, wie das damals war?«, fragte sie.
»Von jemandem, der es gesehen hat. Ich weiß nicht, wer das war. Aber jetzt passt alles zusammen, Gracie.« Seine Stimme zitterte erneut. »Dunkeld hat seinen Plan gefasst, lange bevor er in den Palast kam. Da er außer Blut auch den Tafelaufsatz mitgebracht hat, muss er gewusst haben, was für einer dort stand. Immerhin war er schon früher beim Prinzen gewesen.«
Gracie zitterte, als habe sie die herzlose Kälte dieses teuflischen Plans bis ins Innerste getroffen.
»Er hat eine tote Frau herbeischaffen lassen«, fuhr Pitt fort. »Du hast recht, Sadie muss tatkräftig an dem Plan mitgewirkt haben. Unter Umständen hat sie den betrunkenen Prinzen gedrängt, mit ihr das Bett der Königin zu benutzen!« Seine Worte überschlugen sich jetzt fast. »Nachdem er eingeschlafen war, wobei vielleicht ein Pülverchen mitgeholfen hat, das man ihm in sein Getränk gemischt hat, hat sie sich davongeschlichen und Dunkeld aufgesucht. Vielleicht hat sie ihm sogar geholfen, die Leiche aus der Kiste zu holen, bevor sie sich hineingelegt hat. Nachdem sie fortgebracht worden war, hat er die Leiche in einer Decke oder dergleichen ins Schlafgemach der Königin gebracht, sie neben den Prinzen gelegt und etwas Blut verspritzt. Den Rest hat er aufgehoben, um ihn später in der Wäschekammer zu verteilen. Danach ist er schlafen gegangen. Der einfache Grund dafür, dass wir Sadies Kleidungsstücke nicht finden konnten, liegt darin, dass sie sie anhatte. Dunkeld hatte dafür gesorgt, dass man ihm eine Mitteilung brachte, und ist selbst gegangen, um den Prinzen zu wecken, weil er auf keinen Fall wollte, dass etwas in
der Sache unternommen wurde, bevor er selbst an Ort und Stelle gewesen war, um seine Hilfe anzubieten.«
»So ’n verdammter Schweinehund!«, sagte sie aufrichtig empört. »Was woll’n Se jetz’ machen? Se könn’ doch nich’ zulassen, dass man Mr Sorokine dafür ins Irrenhaus steckt!«
»Selbstverständlich nicht. Ich suche Seine Königliche Hoheit auf.« Er erhob sich.
»Passen Se aber gut auf!«, rief sie. »Mr Pitt, der will bestimmt nich’ …«
»Wenn Mr Narraway kommt, berichte ihm den Stand der Dinge«, unterbrach er sie. »Und bitte ihn, bis zu meiner Rückkehr zu warten.« Er ging, ohne sich noch einmal nach ihr umzusehen.
Die Hände zu Fäusten geballt, stand sie reglos da. Sie zitterte am ganzen Leibe, aus Furcht, was ihm geschehen würde. Mit einem Mal ging die ganze Welt um sie herum in Stücke.
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