Die Tote von Buckingham Palace
denn auch beweisen?«
»Sie war Dunkeld auf die Schliche gekommen«, sagte Pitt ungeduldig.
»Schon, aber können wir es beweisen?« Narraway ließ nicht locker. »Beweisen, dass sie es wusste und ihn mit der Weitergabe ihres Wissens ans Messer geliefert hätte? Solange wir diese beiden Punkte nicht beweisen können, kann er immer noch leugnen und seinen Schwiegersohn der Tat beschuldigen – entweder, weil dieser seiner Behauptung nach auch Sadie getötet hat oder weil Sorokine eifersüchtig war, weil seine Frau ein Techtelmechtel mit Marquand hatte.«
Pitt holte tief Luft. Seine Gedanken überschlugen sich. Zwar war er sich seiner Sache sicher, doch gab es hieb- und stichfeste Beweise?
»Dunkeld hat die drei Frauen in den Palast geholt. Die Leiche wurde in seiner angeblichen Bücherkiste hergebracht …«
»Wir wissen, dass es seine Kiste war«, gab ihm Narraway recht, »aber es ist nichts als eine unbewiesene Schlussfolgerung, dass die Leiche darin in den Palast geschafft und Sadie hinausgeschmuggelt worden ist.«
»Bücher waren nicht darin«, teilte ihm Pitt mit. »Edwards hat geholfen, die Kiste nach oben und wieder nach unten zu tragen, und beide Male war sie etwa gleich schwer.«
»Das Wort eines Dienstboten gegen das Dunkelds«, sagte Narraway.
»Keine Bücher«, hielt ihm Pitt entgegen. »Alle Bücher über Afrika befanden sich bereits in Dunkelds Räumen, und viele sind es ohnehin nicht. Jeder der anderen Herren wird das bezeugen.«
»Klingt einleuchtend«, räumte Narraway ein. »Aber wer außer Dunkelds Ehefrau, die ihn hasst und in Sorokine verliebt ist, hat den Tafelaufsatz gesehen? Ich denke, das ist der Dreh- und Angelpunkt.«
»Sein Kammerdiener«, gab Pitt zur Antwort.
»Und wird er gegen ihn aussagen?«, fragte Narraway voll tiefem
Zweifel. »Auch dann stünde wieder sein Wort gegen das Dunkelds. So weit Sie mir berichtet haben, hat der Kronprinz nicht gesehen, wie der Tafelaufsatz in Stücke ging, und selbst wenn doch, könnte man ihn unmöglich in den Zeugenstand rufen.«
»Tyndale!«, rief Pitt aus. »Er wusste, dass das Limoges-Porzellan zerbrochen war, denn er hat mitgeholfen, die Reste zu beseitigen, und sie dann versteckt. Sowohl mir als auch Gracie gegenüber hat er in diesem Punkt gelogen.«
»Und Sie meinen, er wird gegen den Prinzen aussagen?« Narraway hob die Brauen.
»Nein, Sir, aber gegen Dunkeld, der versucht hat, den Kronprinzen in die Sache zu verwickeln und anschließend zu erpressen.«
Narraway sah trübselig drein. Sein Mund bildete eine schmale Linie. »Das wäre ein gefundenes Fressen für die Zeitungen! Es wird nie zu einer Gerichtsverhandlung kommen, Pitt. Das ist Dunkeld ebenso klar wie mir. Möglich, dass wir die Sache mit dem Tafelaufsatz und der Kiste beweisen könnten, doch ließe sich nie und nimmer beweisen, dass er die Flaschen voll Blut mitgebracht hat. Gewiss, irgendjemand hat in den Privatgemächern der Königin gründlich sauber gemacht, und Sorokine war nie zuvor im Palast. Aber all das sind theoretische Gedankenspiele. Dunkeld hat uns in der Hand. Das Äußerste, was wir erreichen können, ist, dass keine Anklage gegen Sorokine erhoben wird.«
»Nein, Sir«, sagte Pitt mit leiser Stimme, aber unnachgiebig. »Dunkeld hatte die Absicht, den Thronerben zu erpressen, den Prinzen von Wales. Auch wenn er das nicht offen getan hat, war es doch klar, und der Kronprinz wäre ihm sein Leben lang ausgeliefert gewesen.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie nach dieser Geschichte noch Monarchist sein könnten«, sagte Narraway. In seiner Stimme mischten sich Spott und Erstaunen.
»Das bin ich keineswegs«, gab Pitt scharf zurück. »Dem Mann gegenüber empfinde ich keinen besonderen Respekt, wohl aber
habe ich Achtung vor seinem Amt. Doch darum geht es mir überhaupt nicht.«
Narraway sagte mit bedeutungsvollem Blick: »Immerhin ist Erpressung ein übles Verbrechen.«
»Nicht Erpressung«, widersprach Pitt. »Hochverrat.«
»Hochverrat?« Mit einem Mal begriff er. »Natürlich. Wir stellen ihn wegen Hochverrats vor Gericht. Da es um Staatsgeheimnisse geht, kommt eine öffentliche Verhandlung nicht infrage. Danke, Pitt, ich bin Ihnen zutiefst verbunden.«
Pitt lächelte. Das Blut strömte wieder warm durch sein Gesicht.
Gracie stieß einen gedehnten Seufzer der Erleichterung aus.
»Wer hat eigentlich die Frau in der Wäschekammer umgebracht?«, fragte Narraway beinahe beiläufig.
»Das wissen wir nicht«, gab Pitt zu. »Vielleicht wird es außer
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