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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Pitt auf den Weg nach unten machte.

KAPITEL 4
    E ine Woge von Zuversicht durchflutete Pitt, als er hörte, was ihm Gracie berichtete. Er ging in seinem Arbeitsraum auf und ab und dachte das Problem in alle Richtungen durch. Sofern sich beweisen ließ, dass der Alte, den der Stiefelputzer mit der für Cahoon Dunkeld bestimmten Kiste in den Palast hatte kommen sehen, die Tat begangen hatte, wäre es möglich, den Fall ohne großes Aufsehen abzuschließen, und vor allem würde es zu keinem Skandal kommen. Man musste dann lediglich eine gewisse Nachlässigkeit der Wächter beklagen, die den Mann eingelassen hatten. Allerdings konnte man ihnen keinen wirklichen Vorwurf machen, denn der Mann hatte etwas gebracht, das für einen der Gäste des Kronprinzen bestimmt war. Sollte der Mann tatsächlich die unverhoffte Gelegenheit genutzt haben, eins der Fleischmesser zu entwenden, war er unbewaffnet und mithin nicht in der Absicht gekommen, jemanden zu töten.
    Auf welche Weise war er dann aber mit der Prostituierten zusammengetroffen und hatte sie dazu gebracht, mit ihm die Wäschekammer aufzusuchen? Nach wie vor ungelöst war die Frage ihrer Kleider, von denen bisher nichts aufgetaucht war. Noch wichtiger aber war eine andere Erwägung: sollte es sich tatsächlich um einen Irren handeln, der sich sein Opfer wahllos suchte, wäre die Wahrscheinlichkeit weit größer gewesen, im Gang statt auf diese Frau auf eins der Dienstmädchen zu stoßen.
    Also blieb nur die Schlussfolgerung, dass der Mann sie gekannt
und mit voller Absicht als Opfer ausersehen hatte. Auf dem Weg nach oben musste er dann bereits im Besitz des Messers gewesen sein, das er unten an sich gebracht hatte, denn der Tisch im Esszimmer war zu diesem Zeitpunkt längst abgeräumt gewesen.
    Es war unerlässlich, mehr über das Opfer in Erfahrung zu bringen: Woher war die Frau gekommen, was für ein Mensch war sie, und wer waren ihre sonstigen Freier gewesen? Das Verbrechen konnte durchaus einen persönlichen Hintergrund haben. Pitt musste unbedingt mit Narraway Verbindung aufnehmen und ihm berichten. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass sie von der entsetzlichen Annahme würden abrücken können, als Täter komme ausschließlich einer der Gäste des Kronprinzen infrage.
    Er machte auf dem Absatz kehrt und suchte sofort Tyndale auf, um von dessen Telefon Narraway anzurufen. Er teilte ihm die neueste Entwicklung mit und machte ihm die Notwendigkeit klar, so viel wie möglich über die Ermordete in Erfahrung zu bringen. Anschließend ließ er den Lakaien Edwards noch einmal kommen und befragte ihn erneut.
    »Zwischen Mitternacht und ein Uhr in der Mordnacht hat man eine Kiste für Mr Dunkeld gebracht«, begann er.
    Ein Ausdruck von Unbehagen trat auf Edwards’ Züge, aber er wich Pitts Blick nicht aus. »Ja?«
    »Können Sie den Mann beschreiben, der sie gebracht hat?«
    Edwards biss sich auf die Lippe und trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich hab mir den nich’ genau angeseh’n, wie wir se gemeinsam raufgetragen ha’m. Ich war vorne, und er war hinten.«
    »Wie groß war die Kiste?«, wollte Pitt wissen.
    »Ungefähr ’n Meter lang, vielleicht ’n kleines Stück länger, und …«, Edwards zeigte mit seinen großen Händen den Umriss einer gewöhnlichen Kiste, die breiter als hoch war. »Ungefähr so.«
    »War sie schwer?«
    »Na ja, wie das bei Büchern und Papier’n so is.«

    »Waren es viele Bücher?«
    »Weiß nich. Vielleicht vierzig oder fünfzig. Ich trag nich’ oft Bücher.«
    »Wohin haben Sie die Kiste gebracht, und wie viel Uhr war es da?«
    »In den Salon, gleich hier nebenan. Ich konnte se ihm ja nich’ gut nach Mitternacht aufs Zimmer bringen, oder? Wer weiß, was der da gerade getrieben hat!« Er verzog den Mund zu einem lüsternen Grinsen, das aber gleich wieder verschwand. »Aber der war im Salon, wie wenn er drauf gewartet hätt’. Dann hat er gesagt, wir sollten in zehn Minuten oder ’ner Viertelstunde noch mal komm’, weil der Fuhrmann die Kiste gleich wieder mitnehm’ wollte.«
    Pitt merkte, dass ihm der junge Mann immer unsympathischer wurde.
    »Beschreiben Sie ihn, so gut Sie können«, sagte er.
    Edwards zuckte die Achseln.
    »Ich hab sein Gesicht gar nich’ richtig geseh’n. Der war schon älter, ging gebeugt, hatte ’nen Hut auf, tief in die Stirn gezogen, und ’n Mantel mit ’nem hohen Kragen. Er hatte Handschuh’ an, so welche ohne Finger. Wahrscheinlich, um die Zügel zu halten, denn kalt war’s eig’ntlich

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