Die Tote von Buckingham Palace
bedeckten.
Der Prinz, der einen Leinenanzug von unbestimmter Farbe trug und frisch rasiert war, sah deutlich besser aus als bei ihrer ersten Begegnung. Seine Augen waren weniger blutunterlaufen, und dass seine Haut ein wenig fleckig wirkte, hing vermutlich eher mit seinem ganz allgemein zügellosen Leben zusammen, als dass es die Folge einer einzigen Nacht mit im Übermaß genossenem Alkohol und des Schocks gewesen wäre, den die Ermordung der Prostituierten wohl bei ihm ausgelöst hatte.
Er dankte Dunkeld und sah Pitt abschätzend an.
Dieser fühlte sich zwar unbehaglich und kam sich vor wie ein Stück Vieh auf dem Markt, bewahrte aber dennoch Haltung.
»Guten Tag … Pitt, nicht wahr?«, begann der Prinz schließlich. »Bekommen Sie von allen die erforderliche Unterstützung?«
»Ja, Sir, danke«, gab Pitt zurück.
»Seine Königliche Hoheit hat sich nicht nach Ihrem persönlichen Wohlergehen erkundigt, Mann Gottes«, herrschte ihn Dunkeld an. »Welche Fortschritte haben Sie bei Ihren Nachforschungen gemacht?«
Pitt war Dunkeld nicht ebenbürtig. Ihm war nur allzu klar, dass der Mann es ihn würde entgelten lassen, wenn er sich benahm, als sei er es, ganz gleich, wie sehr ihn dessen Verhalten reizte. Also lächelte er, bevor er eine Antwort gab. Er konnte ausgesprochen charmant sein, wenn er wollte. »Seine Königliche Hoheit hat sich danach erkundigt, was ich für meine Arbeit brauche«, sagte er gelassen. »Die Unterstützung Seiner Königlichen Hoheit ist für deren Erfolg unerlässlich, und ich bin ihm dankbar dafür.«
Der Kronprinz warf einen kühlen Blick auf Dunkeld und sah dann erneut zu Pitt hin. »Gut gekontert, Sir«, sagte er. Es war eine unüberhörbare Mahnung an Dunkelds Adresse, sich nicht zu viele Freiheiten herauszunehmen. Ein Blick auf diesen zeigte Pitt, dass er sich gedemütigt fühlte. Jetzt wünschte Pitt, er hätte sich zurückgehalten. Dunkeld würde ihn dafür bezahlen lassen.
»Ich kann mit Sicherheit ausschließen, Sir, dass einer der im Palast Beschäftigten als Täter infrage kommt«, teilte Pitt dem Kronprinzen mit. »Zwei glaubwürdige Personen haben sich zur fraglichen Zeit an einer Stelle befunden, von der aus sie die Dienstbotentreppe im Auge hatten, und sie bestätigen, dass niemand gekommen oder gegangen ist.«
»Und käme einer der beiden als Täter infrage?«, erkundigte sich der Kronprinz hoffnungsvoll.
»Nein, Sir. Einer von ihnen war Mr Dunkeld und der andere sein Kammerdiener.«
Der Prinz fuhr herum und warf Dunkeld einen unheilvollen Blick zu. »Davon haben Sie mir nichts gesagt.«
Dunkeld, dessen Groll fürs Erste verraucht schien, ließ sich nicht einschüchtern. »Mir war nicht klar, dass es sich um den fraglichen Zeitraum handelte, Sir. Ich nehme an, dass Mr Pitt das auf die eine oder andere Weise ermittelt hat. Ist es so?«
Mit kaltem Blick wandte sich der Kronprinz Pitt zu.
»Ja, Sir«, tat ihm dieser Bescheid. »Man hat die Frau zuletzt irgendwann zwischen Mitternacht und ein Uhr lebend gesehen. Nach der Totenstarre zu schließen, die bereits eingetreten war, als wir die Leiche fanden, muss sie deutlich vor halb drei getötet worden sein. Erst zu diesem Zeitpunkt hat Mr Dunkelds Kammerdiener den Gang verlassen, sodass er nicht mehr sehen konnte, was sich auf der Treppe zu den Räumen des Personals tat.«
Angespannt und ungeduldig trat Dunkeld von einem Fuß auf den anderen.
Pitt achtete nicht auf ihn. »Inzwischen habe ich erfahren, ein älterer Fuhrmann sei in den Palast gekommen, um Mr Dunkeld eine Kiste zu bringen«, fuhr er fort. »Allerdings war er nur wenige Minuten unbeobachtet, und dieser Zeitraum dürfte nicht genügt haben, um den Mord zu begehen.«
Die leicht vorstehenden Augen des Prinzen weiteten sich. »Tatsächlich nicht? Sind Sie sich da ganz sicher?«
»Ja, Sir. Außerdem wiesen seine Hände und seine Kleidung keinerlei Blutspuren auf, als er den Palast verließ.«
Der Prinz erbleichte sichtlich. Vielleicht hatte ihm Dunkeld eine Vorstellung von der Blutrünstigkeit der Tat vermittelt. Wieder wandte er sich diesem zu. Pitt hätte gern um die Erlaubnis gebeten, sich zu entfernen, wagte das aber nicht. Er schämte sich vor sich selbst, weil er diesem Druck nachgab. Hier ging es um seine Berufsaufgabe, und Dunkeld war weder für den Staatsschutz von Bedeutung, noch übte er im Palast ein Amt aus. Er hatte lediglich Einfluss auf den Prinzen, sei es dank der Kraft seiner Persönlichkeit oder weil ihn dieser zu brauchen schien. Was
Weitere Kostenlose Bücher