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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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dass Pitt das Manöver durchschaut hatte. Niemand lässt sich gern bei einer feigen Tat ertappen.
    »Und wie lange ist sie bei Ihnen geblieben?«, fragte Pitt ruhig und betont um einen gleichgültigen Ausdruck bemüht, so schwer ihm das fiel.

    »Auch ich habe nicht auf die Uhr gesehen«, fuhr Dunkeld auf. »Und bevor Sie weiter fragen, ich habe keine Ahnung, wohin sie gegangen ist.«
    »Durch die Aussage des Lakaien Edwards kennen wir den Zeitpunkt, zu dem die beiden anderen Frauen den Palast verlassen haben«, gab Pitt zu bedenken. »Aus unserem Wissen, wann man die dritte zuletzt gesehen hat, und dem Zustand der Leiche können wir auf den ungefähren Zeitpunkt ihres Todes schließen.«
    »In dem Fall müsste, wie Sie vorhin schon haben durchblicken lassen, Sorokine, Marquand oder Quase der Täter gewesen sein«, sagte der Prinz verzagt. »Sie sollten festzustellen versuchen, wer von den dreien die Tat begangen hat. Danke, Dunkeld. Ich weiß Ihre Diskretion und Ergebenheit zu schätzen. Sie können gehen … äh, Inspektor.«
    Pitt neigte zum Abschied den Kopf und trat auf den Gang hinaus, von Dunkeld auf dem Fuß gefolgt.
    Kaum waren sie außer Hörweite, als dieser ihn an der Schulter packte und so heftig herumriss, dass er fast gegen die Wand geprallt wäre. »Sie unfähiger Esel!«, fuhr er ihn an. »Sie haben den künftigen König unseres Landes behandelt, als wären Sie eine selbstgerechte alte Jungfer, die das wahre Leben nicht kennt. Für wen zum Teufel halten Sie sich eigentlich, dass Sie sich erlauben, ihm Ihre Unterschicht-Prüderie so von oben herab um die Ohren zu hauen? Ist Ihnen überhaupt bewusst, wie lächerlich Sie sich damit machen? Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie sich wie ein Herr benehmen können, aber zumindest sollten Sie klug genug sein, Ihre Moralpredigten für sich zu behalten. Die Art, wie Sie sich aufführen, gehört in die Gosse, wohin Ihre Arbeit Sie vermutlich in erster Linie führt.«
    »Das tut sie in der Tat«, stieß Pitt zwischen den Zähnen hervor. Dunkelds Gesicht war nur gut zwei Handbreit von seinem entfernt, und so konnte er körperlich die Hitze spüren, in die die Wut diesen Mann versetzt hatte, den Geruch wahrnehmen, der seiner Haut entströmte. »Dazu muss ich allerdings sagen, dass
man an den unerwartetsten Stellen auf Gossen stößt.« Er ließ den anderen nicht aus den Augen.
    Dunkeld fuhr mit dem Oberkörper herum, als wolle er nach Pitt schlagen, unterließ es dann aber. Mit einem Mal lächelte er, wobei sich sein Mundwinkel hässlich verzog. »Ich an Ihrer Stelle würde die Gelegenheit nutzen, mich zu bessern und die Dankbarkeit meines künftigen Herrschers zu erringen, dann könnten Ihre Söhne später einmal eine ehrenhafte Beschäftigung finden«, stieß er hervor. »Sie brauchten dann nicht zur Polizei zu gehen und sich um die schmutzigen Angelegenheiten anderer Menschen zu kümmern, und Ihre Töchter könnten unter Umständen achtbare Geschäftsleute statt deren Dienstboten heiraten. Aber ganz offenbar besitzen Sie weder den dafür nötigen Verstand noch den Weitblick.«
    Endlich ließ er Pitts Schulter los. »Gott stehe diesem Land bei, wenn Narraway tatsächlich keinen besseren Mann als Sie zur Verfügung hat. Los, machen Sie mit Ihren Fragen weiter. Vermutlich ist es sinnlos, Ihnen zu sagen, dass Sie niemanden beleidigen sollen.«
    »Sofern das ein Versuch sein soll, mir Anweisungen zu erteilen, verschwenden Sie nur Ihre Zeit, Mr Dunkeld«, sagte Pitt mit rauer Stimme. »Ich bin ausschließlich Mr Narraway Rechenschaft schuldig, nicht Ihnen.« Damit ging er, ohne den Stoff seines Jacketts dort zu glätten, wo Dunkelds Griff ihn verknittert hatte.
    Doch während er den Korridor entlangging, hallten Dunkelds Worte in seinem Kopf nach. Hatten seine von aufrichtigem Abscheu diktierten Worte wirklich selbstgerecht geklungen? Hatte er zu erkennen gegeben, was ein wahrer Herr für sich behalten hätte? Er konnte Dunkeld nicht leiden und hatte das unklugerweise ihn und zweifellos auch den Kronprinzen merken lassen. Offensichtlich schätzte dieser den Mann nicht nur, sondern vertraute ihm auch rückhaltlos, schien sich nicht nur auf dessen Urteilskraft, sondern auch auf dessen Ergebenheit zu verlassen.
    Auch Pitt hätte dem Prinzen, der ahnungslos einem Mann seine
Gastfreundschaft gewährt hatte, der geisteskrank sein musste, Ergebenheit beweisen können. Dann wäre ihm dieser dankbar gewesen, was ihn eine weitere Stufe auf dem Weg zur gesellschaftlichen

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