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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zu Unrecht verdächtigt fühlt. »Damit würden Sie lediglich Ihre Zeit vergeuden, Mr Pitt. Mir ist bewusst, dass ich alles andere als frei von Lastern bin. Es fehlt mir an Mut, denn ich erniedrige mich damit, dass ich Männern diene, die eine höhere Stellung und weniger hohe moralische Ansprüche haben als ich. Es ist richtig, dass ich zu viel trinke, aber ich besuche weder in London noch anderswo Bordelle. Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass ich eine sehr schöne Frau habe.« Er holte tief Luft und stieß sie mit einem gequälten Seufzer wieder aus. »Und im Unterschied zu anderen Männern genügt mir das durchaus.«
    Pitt glaubte ihm. Sein Feingefühl hinderte ihn daran, der Sache weiter nachzugehen. »Man hat mir gesagt, dass Mr Sorokine früh zu Bett gegangen ist. Stimmt das?«, fragte er stattdessen.
    In Quases Augen lag ein Ausdruck von Anerkennung, der aber
sogleich wieder erlosch. »Ja, und zwar allein, falls Sie mit Ihrer Frage darauf hinauswollen. Allerdings könnte ich nicht sagen, ob er auch allein geblieben ist.«
    »Mithin gab es drei Frauen, je eine für Mr Marquand, Mr Dunkeld und Seine Königliche Hoheit«, folgerte Pitt.
    »So sieht es aus«, stimmte ihm Quase zu. »Ich bin aufgeblieben, bis sich die Herrschaften kurz nach Mitternacht zurückgezogen haben. Von dem, was danach geschehen sein mag, weiß ich naturgemäß nichts. Was mich betrifft, haben die drei Frauen ihr Geld allein schon deshalb verdient, weil sie außerordentlich unterhaltsame Gesellschafterinnen waren und dafür gesorgt haben, dass ein Abend, der sonst ziemlich quälend verlaufen wäre, noch recht vergnüglich wurde.«
    »Quälend?«, fragte Pitt mit gehobenen Brauen.
    »Wenn Seine Königliche Hoheit nüchtern ist, ist der Umgang mit ihm mitunter ziemlich anstrengend«, ließ ihn Quase mit feinem Lächeln wissen. »Noch anstrengender aber wird es, wenn er betrunken ist: ungefähr so, als wenn man einen Acker pflügen müsste, nachdem es eine Woche lang geregnet hat. Dunkeld ist ein brutaler Kerl und zugleich ein Maulheld, wie Sie möglicherweise bereits selbst bemerkt haben. Marquand dürfte ganz umgänglich sein, wenn mir auch seine ständige Rivalität mit Sorokine ziemlich auf die Nerven geht. Die beiden sind Halbbrüder, was Ihnen wohl ebenfalls schon bekannt ist. Sorokine kann ein ziemlicher Langweiler sein, weil sich bei ihm alles dauernd um seine eigenen Probleme dreht, die er für alle Welt sichtbar vor sich her trägt. Fragen Sie mich nicht – ich habe keine Vorstellung davon, worum es dabei geht. Allerdings nehme ich an, dass es viel mit seiner Frau zu tun hat, die sich Marquand gegenüber in einfach unerhörter Weise verhält.«
    »Davon abgesehen, würden Sie es mir nicht einmal dann sagen, wenn Sie es wüssten«, fügte Pitt hinzu.
    »So ist es«, gab ihm Quase recht.
    »Es war also ein angenehmer Abend? Keine Spannungen? Kein Streit um die Frauen?«

    Quase lachte laut auf. »Zwischen wem denn um Gottes willen? Seine Königliche Hoheit hat die genommen, die er wollte, Dunkeld hat sich zwischen den beiden anderen entschieden, und Marquand musste mit der vorliebnehmen, die übrig blieb. Wenn Sie wirklich auf mich angewiesen wären, um das zu erfahren, würde Ihr Verstand nicht einmal ausreichen, um festzustellen, was es zum Essen gegeben hat, ganz davon zu schweigen, wer die arme Frau umgebracht hat.«
    »Es geht nicht nur um das, was ich in Erfahrung bringe, Mr Quase, sondern auch darum, von wem und auf welche Weise«, gab Pitt zurück. Gleich darauf bedauerte er diesen Verweis. Er hatte sich verteidigt und damit bewiesen, dass er es nötig hatte. Jetzt war es zu spät, das Gesagte zurückzunehmen. »Vielen Dank. Würden Sie bitte Mr Marquand sagen, dass ich gern mit ihm sprechen möchte?«
    Fünf Minuten später trat Simnel Marquand ein und schloss die Tür hinter sich. »Ich kann Ihnen wirklich in keiner Weise helfen«, sagte er, bevor er auch nur einen Schritt näher getreten war. Sein Gesicht hatte intelligente und sinnliche Züge. Er sah gut aus und war gut gekleidet, besaß aber nicht wie Hamilton Quase die selbstverständliche Eleganz eines Mannes, der nach Belieben der Mode folgen oder sich ihr verweigern kann, weil er durchschaut hat, worum es geht.
    »Nachdem ich zu Bett gegangen bin, habe ich die arme Frau nicht mehr gesehen«, erklärte er, »und ich weiß auch nicht, was mit ihr geschehen ist. Ich bin auf dem Flur niemandem begegnet, und soweit mir bekannt ist, sind Sie ohnehin bereits über

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