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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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vor?«
    »Ganz und gar nicht. Warum sollten wir gegeneinander kämpfen? Stehen wir nicht auf derselben Seite?«
    »Das kommt darauf an, wie weit wir die Sache treiben«, gab Quase zurück. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer die Frau umgebracht hat, oder warum. Sicher möchte ich, dass Sie das herausbekommen. Trotzdem gibt es Antworten, die mir nicht recht wären.«
    »Wir müssen damit rechnen, dass es eine ganze Reihe von Antworten gibt, die niemandem recht sind«, stimmte ihm Pitt zu. »Von Mordfällen sind weit mehr Personen betroffen als lediglich der Täter und das Opfer.« Er lehnte sich leicht zurück, als entspanne er sich. »Jeder von uns hat Vorlieben, Abneigungen und Geheimnisse. Das hat nichts mit den Fragen zu tun, die ich stellen muss und stellen werde, bis ich nicht nur weiß, wer die Frau getötet hat, sondern das auch beweisen kann.«
    Quase sah ihn leicht belustigt an. In seinen Augen lag ein unglücklicher Ausdruck, den Pitt nicht recht zu deuten wusste, so, als ob eine alte Wunde wieder zu schmerzen anfing. »Dann sollten Sie besser anfangen«, sagte er ruhig. »Ich muss Sie allerdings darauf hinweisen, dass ich nicht die blasseste Vorstellung davon habe, wer der Täter war, und erst recht nicht weiß, warum er die Tat begangen hat. Mir erschien die Frau völlig harmlos.«
    »Tatsächlich?« Pitt tastete sich vorsichtig voran. Es war eine sonderbare Ermittlung. Wie es aussah, war das Opfer jedem von
denen, die als Täter infrage kamen, gänzlich unbekannt gewesen. Alle bestritten, die Frau je zuvor gesehen zu haben.
    »Was für ein Mensch war sie?«, fragte er. »Und wie hieß sie übrigens?«
    Quase verzog angestrengt das Gesicht, doch um seinen Mund lag ein schiefes Lächeln. »Sadie, glaube ich. Ich habe … äh … nicht mit ihr gesprochen. Sie war nicht zu meiner Unterhaltung da, äußerstenfalls in sehr indirekter Weise.«
    »Wem war sie dann zugedacht?«
    Wieder schien Quase leicht überrascht zu sein. »Selbstverständlich Seiner Königlichen Hoheit.«
    »Warum das?«
    »Sie machte einen recht intelligenten Eindruck und war ziemlich witzig. In keiner Weise unaufrichtig und sehr schlagfertig. Sie konnte lesen und schreiben und wusste erstaunlich viel über die Menschennatur. Ich meine, nicht nur auf dem Gebiet, das man sich denken kann, sondern auch auf emotionaler Ebene.«
    »Eher eine Kurtisane als eine gewöhnliche Hure?«, fragte Pitt. Er hätte damit rechnen müssen.
    »Wirklich elegant umschrieben«, stimmte ihm Quase zu. »Ja. Dabei war sie nicht einmal hübsch. Ich jedenfalls habe schon welche gesehen, die hübscher waren. Glatte Haut und schöne Augen, aber ansonsten ziemlicher Durchschnitt. Was sie von den anderen unterschied, war ihre Persönlichkeit, ihre Art zu lachen, die Beweglichkeit ihres Geistes. Außerdem hatte sie eine gute Singstimme. Sie war ausgesprochen unterhaltsam.« Ein Ausdruck von Betrübnis legte sich auf sein Gesicht, und einen Augenblick schien er mit seinen Gedanken in weiter Ferne zu sein.
    Pitt überlegte im Stillen, wie viel von dem, was der Mann sagte, der Wahrheit entsprach und was er wohl ausgelassen haben mochte. Vielleicht hätte das, was er nicht gesagt hatte, mehr Licht auf die Sache geworfen.
    »Die Ärmste«, sagte Quase ruhig. »Sie war so voll Leben.«
    Pitt hätte nicht sagen können, warum er mit einem Mal überzeugt war, dass Quase nicht jene Frau meinte, sondern eine andere,
doch er tat diesen Gedanken sogleich als Hirngespinst ab. Vermutlich war er erschöpfter, als er angenommen hatte. Es wurde schon spät, und an diesem Abend würde er auf keinen Fall nach Hause gehen können – und unter Umständen auch nicht am folgenden. »Sie müssen sie sehr genau beobachtet haben«, sagte er schließlich.
    »Was?« Quase hob den Blick.
    »Sie müssen die Frau sehr genau beobachtet haben«, wiederholte Pitt. »Offenbar war sie eine ganze Weile in dem Raum und hat ziemlich viel geredet.«
    »Nein. Das war nur mein Eindruck.«
    Es lag offen zutage, dass er die Unwahrheit sagte.
    »Sind Sie der Frau früher schon einmal begegnet?«, fragte Pitt, »und haben ihre Dienste schon bei anderer Gelegenheit in Anspruch genommen? Sofern das zutrifft, sollten Sie das lieber nicht bestreiten. Es dürfte nicht besonders schwer sein, diese Aussage zu überprüfen, und dabei käme womöglich noch so manches andere an den Tag.« Die Drohung war verhüllt, doch unüberhörbar.
    Quase lächelte breit, doch in seinen Augen lag der Schmerz eines Mannes, der sich

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