Die Tote von Buckingham Palace
in Forbes’ Arbeitszimmer sah Narraway Gemälde, auf denen Elefanten vor einem Hintergrund aus Schirmakazien reglos in der flirrenden Hitze der Savanne standen. Auch enthielt der Raum eine große Anzahl von Tierplastiken, die aus Elfenbein und Halbedelstein geschnitzt waren. Bücher, fast alle in Leder gebunden, bedeckten eine ganze Wand. Auf dem Schreibtisch mit der abgewetzten Schreibunterlage sah man ein Straußenei und eine große mit Leder bezogene Schatulle. Das Leder sah aus wie Krokodilhaut.
Watson Forbes war ein untersetzter Mann. Sein einst dunkles, dichtes Haar war mittlerweile nahezu weiß, sodass es von den schwarzen Brauen und der sonnengebräunten Haut abstach. Er hatte ein energisches und eigenwilliges Gesicht, eine große Nase und einen überraschend ausdrucksvollen, wie gemeißelt wirkenden Mund. Narraway hatte gehört, dass Forbes nahe siebzig war, doch erhob er sich mühelos und trat lebhaft auf den Besucher zu, um ihn zu begrüßen.
»Am Telefon – eine wunderbare Erfindung – haben Sie gesagt, dass Sie etwas über Afrika aus dem Mund eines Fachmanns hören wollen. Der bin ich nur bedingt, stehe Ihnen aber mit dem wenigen, was ich weiß, zur Verfügung. Bitte nehmen Sie doch Platz.« Er wies auf die Ledersessel. »Worum geht es Ihnen?« Er setzte sich Narraway gegenüber. »Whisky oder lieber etwas Exotischeres? Vielleicht Kognak oder Sherry?«
»Dafür ist es mir noch zu früh, vielen Dank. Kennen Sie Cecil Rhodes?«
Das Lächeln, das auf Forbes’ Züge trat, milderte deren Strenge, doch sein Blick zeigte, dass er auf der Hut war. »Gewiss. Niemand kann auf die Dauer in Britisch-Afrika tätig sein, ohne ihn kennenzulernen.«
»Und Cahoon Dunkeld?«
»Interessant, dass Sie die beiden nahezu im selben Atemzug nennen. Ist das ein Zufall?« In seinen Augen lag jetzt auch Belustigung.
»Natürlich nicht.« Der Versuch, Forbes hinters Licht zu führen, wäre töricht; dazu war der Mann zu klug. Da Narraway auf dessen Kenntnisse, wenn nicht gar auf dessen Urteilskraft angewiesen war, durfte er ihn auf keinen Fall kränken, und sei es unabsichtlich. »Sehen Sie eine Ähnlichkeit? Oder einen Gegensatz?«
»Beides«, sagte Forbes und erwiderte Narraways Lächeln. »Dunkeld ist ebenso ehrgeizig wie Rhodes und von ähnlicher Rücksichtslosigkeit, kann aber deutlich charmanter sein. Allerdings ist er in höherem Alter als Rhodes erstmals nach Afrika gegangen und hat auch keine Brüder, die ihm unter die Arme greifen könnten.«
»Aber er verfügt über gewisse Gaben, nicht wahr?«, fuhr Narraway fort. »Eine davon scheint mir zu sein, dass er es versteht, talentierte Menschen um sich zu sammeln, die ihm treu zur Seite stehen.«
»Sagen wir, die sich ihm unterordnen«, korrigierte Forbes, der offensichtlich genau wusste, wovon er sprach. Er ließ Narraway nicht aus den Augen.
»Und ist er beliebt?«
Wieder das Lächeln. »Nein. Warum wollen Sie das wissen? Hat es mit dem Projekt der Kap-Kairo-Bahnlinie zu tun?« Forbes sah ihn jetzt prüfend an. Seine Belustigung war förmlich mit Händen zu greifen, seine Augen leuchteten. »Schon möglich, dass man sie baut, Mr Narraway, doch ist dafür weit mehr erforderlich, als manche Befürworter des Vorhabens glauben. Außerdem sollten Sie wissen, dass das alles andere als ein neuer Traum ist. Haben Sie eine Vorstellung davon, welche Entfernungen und welche Art von Gelände man für die Verwirklichung dieses Projekts überwinden müsste? Von Kapstadt nach Kairo ist es weiter als von New York über die großen Ebenen und die Rocky Mountains zum Pazifik und wieder zurück. Vermutlich kann sich kaum
jemand die diplomatischen Verwicklungen vorstellen und die topografischen Extreme, die es zu meistern gilt. Am Äquator haben wir es mit dem Dschungel zu tun, in anderen Teilen des Kontinents mit Savannen, Gebirgszügen und Wüstengebieten.« Er gestikulierte mit seinen kräftigen Händen. »Ganz von den Gefahren abgesehen, die durch Krankheiten drohen, durch Parasiten, giftige Reptilien und Insekten, Heuschreckenschwärmen und die gewaltigsten Tiere, die es auf der Erde gibt. Afrika lässt sich in keiner Weise mit Europa vergleichen; es ist eine in jeder Beziehung andere Welt.« Seine Stimme klang bewegt und schien Narraway ein wenig zu zittern.
Die Leidenschaft in den Augen des Mannes war unübersehbar. »Dieser Kontinent ist von einzigartiger und zugleich schrecklicher Schönheit«, fuhr er fort und beugte sich ein wenig vor. »Sie sollten einmal sehen,
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