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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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von den Mädchen das Messer gefunden hat. Ich mein das, was gefehlt hat.« Sie sprach zu Pitt, nicht zu Narraway. »Es is’ Blut drauf, Sir. Sogar ’n paar Haare, so kurze.« Sie errötete leicht. Genauer mochte sie nicht darauf eingehen.
    »Wo?« Pitt sah sie aufmerksam an. »Wo hat man es gefunden? Und wer?«
    »Ada. In der Wäschekammer, Sir.«
    »Aber die haben wir durchsucht«, hielt ihr Pitt entgegen. »Da war kein Messer.«
    »Ich weiß, Sir«, gab sie ihm recht. »Dann hat’s wohl heute jemand da hingetan. Hier im Palast muss sich ’n schrecklich tückischer Mensch aufhalten. Mr Tyndale hat jetz’ das Messer, Sir. Ich hol ers’ ma’ was zu essen und ’n Glas Apfelwein.« Als sie sich umwandte und hinausging, behinderte sie ihr Kleid, das mindestens eine halbe Handbreit zu lang war. Pitt und Narraway sahen einander wortlos an.

KAPITEL 6
    E lsa Dunkeld saß steif und unglücklich vor dem Spiegel ihrer Frisierkommode. Wie alle anderen hatte auch sie Angst. An dem Tag, da man die Leiche entdeckt hatte, war das Entsetzen so groß gewesen, dass es eine ganze Weile gedauert hatte, bis sie das schreckliche Geschehen in sich aufnahmen. Am zweiten Tag dann aber war die Wirklichkeit mit großem Nachdruck erneut in ihre Rechte getreten. Der schlaksige Polizist mit den vollgestopften Jackentaschen hatte jeden befragt, und weil er das äußerst höflich tat, war den Leuten erst später aufgegangen, wie tief er mit seinen Fragen in ihr Privatleben eingedrungen war.
    Der Vorfall schien aberwitzig, wie etwas völlig Sinnloses aus einem Albtraum, dessen Teile nicht zueinanderpassten, doch schließlich hatten sie begriffen, dass für den Mord an jener Frau ausschließlich einer aus ihrem Kreis infrage kam. Niemand wagte das laut auszusprechen, und so hatten sie über allerlei Unverfängliches geplaudert, Dinge gesagt, auf die niemand achtete, Klatschgeschichten erzählt, die ausnahmsweise niemand hatte hören wollen.
    Sie blickte ihr Spiegelbild an. Davon abgesehen, dass ihr Gesicht bleich war, sah es so vertraut aus wie immer.
    An richtigen Schlaf war nicht zu denken gewesen. Selbst nach der kurzen Ruhepause waren sie nun alle mit einem weit deutlicheren und schmerzlicheren Bild von der Wirklichkeit aufgewacht, die sie erwartete. Sie würden im Palast praktisch als Gefangene
leben müssen, bis der Polizist eine Lösung fand und das Ansehen eines von ihnen auf alle Zeiten zugrunde gerichtet war. Oder erwartete sie alle dies Schicksal? Wie konnte man mit dem Bewusstsein leben, dass ein Mensch, den man kannte, vielleicht sogar liebte, fähig war, einen bestialischen Mord wie diesen zu begehen? Waren sie etwa unter der zivilisierten Oberfläche alle so und nur zu dumm und unempfindsam gewesen, um das zu erkennen?
    Sie liebte Julius. Oder liebte sie den Gedanken an die Liebe, die Sehnsucht danach, die an ihr nagte, als werde sie von innen aufgezehrt? Wenn sie es recht bedachte, kannte sie ihn eigentlich nicht, jedenfalls nicht besonders gut.
    Ein Schauer überlief sie, als ihr die Zofe das mit auserlesener schwarzer Spitze besetzte rauchblaue tief ausgeschnittene Kleid für den Abend herauslegte. Rauchblau passte vorzüglich zu ihrem Teint, ließ ihre Haut makellos wie Alabaster und ihre blauen Augen dunkler erscheinen, als sie waren. Minnie Sorokine konnte es sich leisten, Feuerrot zu tragen und darin ungehemmt und wild auszusehen – wenn sie ein solches Kleid anzöge, würde sie darin lediglich wie eine misslungene Kopie Minnies wirken. Das hatte Cahoon ihr mehr oder weniger wörtlich gesagt. Er hatte seine Frau oft mit seiner Tochter verglichen, und der Vergleich war nie zu Elsas Vorteil ausgefallen. Früher war ihr dieses Kleid in den Farben der Dämmerung und des nächtlichen Meeres romantisch vorgekommen, jetzt hingegen erschien es ihr lediglich düster.
    Nachdem ihr Bartle das Unterkleid übergestreift hatte, half sie ihr in die Unterröcke und schließlich in das Kleid, das an den Schultern übertrieben breit gebauscht war, ganz wie es die Mode verlangte. Vorn war es mit Seidenkaskaden besetzt und am Saum mit etwas helleren Rüschen. Die nur angedeutete Tournüre schmeichelte ihrer Figur außerordentlich. Sie hielt still, während Bartle sie im Rücken so eng schnürte, wie sie es ertragen konnte, ohne zu leiden.
    Dann setzte sie sich und ließ sich das lange, dichte kastanienbraune Haar frisieren. Den Schmuck, auf den Cahoon so stolz war, legte sie zum Schluss an.

    Angesichts der Art und Weise, wie die

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