Die Tote von Buckingham Palace
Prostituierte zu Tode gekommen war, und dessen, dass einer der Männer, mit denen sie bei Tisch sitzen würde, der Täter sein musste, war es eigentlich skandalös, sich zum Diner herzurichten. Doch es war so gut wie unmöglich, abzusagen, ohne damit ein Misstrauen hervorzurufen, das sich keiner von ihnen leisten konnte. Nicht nur würde das Kronprinzenpaar die Gäste mit seiner Anwesenheit beehren, auch Lord Taunton würde anwesend sein, ein von Marquand heftig umworbener Finanzier, der sich in Afrika stark engagierte. Seine Unterstützung war für das Projekt von großer Bedeutung, wenn nicht gar unerlässlich. Da er unverheiratet war, sollte ihn seine sehr gut aussehende jüngere Schwester begleiten, Lady Parr. Ihr Mann war vor Kurzem gestorben und hatte ihr ein beträchtliches Vermögen hinterlassen. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie zahlreiche Bewunderer hatte. Es war Elsa klar, dass Cahoon zu ihnen zählte, denn sie hatte die aufblitzende Begierde in seinen Augen gesehen. Diesen Blick kannte sie; genauso hatte er einst sie angesehen.
Der Abend würde ein hohes Maß an innerer Kraft und eine Selbstbeherrschung verlangen, wie sie selbst für eine noch so starke Frau belastend sein musste. Alle würden ihre Ängste sorgfältig verbergen. Es durfte keine angespannte Stimmung geben, nicht den kleinsten Hinweis auf Besorgnis. Auf keinen Fall durfte Lord Taunton etwas merken, und sie alle mussten den Eindruck erwecken, als sähen sie dem neuen und wunderbaren Unternehmen voll Zuversicht entgegen.
»Fertig, Ma’am«, sagte Bartle und rückte den Verschluss des Saphirhalsbandes zurecht. »Sie sehen blendend aus.«
Elsa betrachtete ihr Spiegelbild. Sie war müde und zu blass, aber daran ließ sich nichts ändern. Wenn sie sich in die Wangen zwickte, würden sie ein wenig Farbe bekommen. Da das aber nicht lange vorhalten würde, war es wohl nicht der Mühe wert.
Sie dankte Bartle und bat sie, Cahoon mitzuteilen, dass sie bereit sei.
Im nächsten Augenblick hörte sie, wie sich die Tür öffnete
und wieder schloss, und gleich darauf sah sie ihn im Spiegel. Er musterte sie kritisch, schien mit dem Ergebnis zufrieden zu sein, sagte aber nichts. Gemeinsam gingen sie schweigend nach unten.
Olga und Simnel Marquand standen bereits im Abstand von zwei oder drei Schritt im gelben Salon, dessen Dekoration und Einrichtung die Illusion von Sonnenschein hervorrief. Das Grün von Olgas Kleid war dunkler als das ihrer Smaragdohrringe und ihres Smaragdkolliers. Dieser Ton wirkte bei ihr hart und zu kalt, ließ sie noch eckiger erscheinen und nahm ihrer Haut jegliche Farbe. Eigentlich hätte ihre Zofe ihr das sagen müssen. Doch vielleicht hatte sie das getan, und Olga hatte ihren Rat in den Wind geschlagen. Sie machte auf Elsa nicht den Eindruck, so warm oder so weich zu sein, wie das von einer Frau erwartet wurde.
Beim Eintreten Elsas und Cahoons wandte sie sich um und begrüßte sie mit nervöser Höflichkeit. »Kennen Sie Lady Parr?«, fragte sie Elsa.
Während diese sagte: »Ich bin ihr mehrfach begegnet«, merkte sie, wie wenig sie Amelia Parr leiden konnte, ohne dass sie einen wirklichen Grund dafür hätte nennen können. Es war ein ungerechtes und unvernünftiges Vorurteil. »Ein wahrhaft angenehmer Mensch«, log sie. Sie spürte Cahoons Blick auf sich ruhen und wusste, dass ihr Gesichtsausdruck verriet, was sie dachte.
»Sie soll sehr interessant sein«, fuhr Olga fort. »Ich hoffe, es stimmt. Ich muss zugeben, dass ich heute Abend Schwierigkeiten hätte, mir etwas einfallen zu lassen, womit ich zur Unterhaltung beitragen könnte.«
Niemand brauchte sie zu bitten, das näher zu erläutern.
Gleich darauf kam das Ehepaar Quase. Hamilton schien schon ziemlich viel Whisky getrunken zu haben. Sein Gesicht war heftig gerötet, und seine Augen schimmerten leicht glasig. Liliane sah unaufhörlich zu ihm hin, als wolle sie sich vergewissern, dass ihm nichts fehlte. Sie sah hinreißend aus. Der Bronzeton ihres mit kunstvoll geflochtenen schwarzen Samtbändern besetzten Kleides unterstrich die Wirkung ihres bernsteinfarben glänzenden Haars und ihrer goldbraunen Augen. Bei ihrem Anblick kam
sich Elsa wie genau das vor, was sie Olga vor wenigen Augenblicken insgeheim genannt hatte – ein hässliches Entlein. Dem anerkennenden Gesichtsausdruck nach, mit dem Cahoon Liliane musterte, schien er derselben Ansicht zu sein.
Wieder wurden Befürchtungen und Ermutigungen ausgetauscht, dann öffnete sich die Tür erneut, und
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