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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Unterschied besteht darin, dass der Firnis der Zivilisation nicht überall gleich dick ist.«
    »Natürlich ist Afrika in jeder Hinsicht anders als Europa«, warf Liliane rasch ein.
    Lady Parr sah sie verblüfft an und wartete auf eine Erklärung. Als sie merkte, dass keine kommen würde, sah sie wieder zu Dunkeld hin.
    »Was willst du damit sagen?«, fragte dieser gespielt unschuldig. Worauf mochte er hinauswollen? Quase war betrunken, sein Gesicht wie von Schmerzen verzogen, und Liliane machte sich seinetwegen offensichtlich große Sorgen. Warum nur? Was war in Afrika vorgefallen? Gab es da noch eine offene Wunde, bestand nach wie vor Gefahr? Ach nein, Lilianes Bruder war in Afrika umgekommen. Vermutlich war es das. Wie konnte sie Cahoon
daran hindern, herzlos in der Wunde herumzustochern? Er hatte sich nie vor Herzlosigkeit gescheut, wenn er annahm, dass sie seinen Zwecken dienlich sein konnte. Oft hatte er ihr erklärt, wer Angst habe, das Alte zu zerstören, habe keine Möglichkeit, etwas Neues und Vernünftiges aufzubauen.
    Allmählich war die Spannung im Raum wohl allen bewusst, doch wussten weder Taunton und seine Schwester noch vermutlich die Prinzessin etwas von der Frau, die man in der Wäschekammer ermordet hatte – und mithin auch nichts davon, dass als Täter ausschließlich einer der Gäste des Kronprinzen infrage kam. Es musste der Gatte einer dieser Damen sein. Ob diejenige davon wusste oder es ahnte?
    »Was meinen Sie, Hamilton?«, wiederholte Dunkeld.
    Quase zwinkerte, als habe er die Frage vergessen, aber in seinen Augen waren Angst und Abscheu zu erkennen.
    »Ach«, sagte Dunkeld und tat so, als falle ihm nach längerem Nachdenken ein, worum es ging. »Sie denken an den schrecklichen Mord. Die arme Frau, die man in Kapstadt umgebracht hat. Man hat ihr die Kehle durchgeschnitten und … und andere fürchterliche Dinge angetan. Ich habe davon gehört. Das war abstoßend. Du warst damals doch auch da, Julius, oder nicht?«
    Alle wandten sich Sorokine zu und sahen ihn an.
    »Ja«, sagte er schlicht. Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, überlegte es sich aber anders, so, als habe es auch dann keinen Sinn, darüber zu sprechen, wenn es die reine Wahrheit war.
    »Derlei kann überall vorkommen«, sagte Liliane eine Spur zu laut. »Nicht einmal in Afrika hat es je etwas gegeben, was den Taten des Massenmörders von Whitechapel vergleichbar wäre, der hier bei uns in London sein Unwesen getrieben hat.«
    Ein heftiger Schauer überlief Quase.
    »Noch einen Kognak?«, fragte der Kronprinz, um seine Verlegenheit wie auch sein Unbehagen zu überspielen.
    »Vielen Dank, Sir«, sagte Liliane zu rasch. »Wirklich nicht.«
    Mit einem Blick auf ihren Mann seufzte der Kronprinz und wandte sich an Dunkeld. »Vielleicht ist das eher ein Kontinent
für Männer, jedenfalls am Anfang. Ich beneide Sie um die Möglichkeit, vom ersten Augenblick an bei einer Unternehmung wie dieser mitwirken zu können, die das Gesicht der Welt verändern wird. Verglichen damit wirkt es ziemlich fade, hierzubleiben. Man kann das Glück im Leben nicht ausschließlich auf Sicherheit bauen.«
    »Auf einen Abenteurer mehr oder weniger kommt es nicht an, Sir«, gab Dunkeld zurück. »Aber wir haben nur einen künftigen König.«
    Sorokine lächelte. Erneut überlief Quase ein Schauer. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt. Simnel hielt den Blick mit einem undeutbaren Ausdruck auf Julius gerichtet, während Lady Parr voll offener Bewunderung Dunkeld ansah.
    Wäre der Abend doch erst vorüber! Doch Elsa wusste, dass ihnen noch mindestens zwei, wenn nicht drei Stunden bevorstanden, ehe man daran denken konnte, sich zurückzuziehen. Niemand durfte gehen, bevor nicht der Kronprinz und seine Gemahlin mit ihrem Aufbruch das Zeichen dafür gaben.
     
    Es war fast Mitternacht, als sich die Prinzessin von Elsa zu einer der Galerien begleiten ließ, in der einige ihrer Lieblingsgemälde hingen. Zwar stand Elsa der Sinn im Augenblick nicht im Geringsten nach Gemälden, aber einmal davon abgesehen, dass man einer Prinzessin keinen Wunsch abschlug, war sie dankbar für die Gelegenheit, der Gesellschaft der anderen entfliehen zu können. Die beiden Frauen standen auf und entschuldigten sich.
    Gemeinsam gingen sie durch prachtvolle Räume, deren Wände Meisterwerke europäischer Malerei aus fünf Jahrhunderten bedeckten. Es war geradezu eine Bildgeschichte der westlichen Zivilisation, mit allem, was sie ausmachte. Wider Willen fühlte sich Elsa in

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