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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Landesinneren, als die Sache passiert ist.«
    Sie versuchte sich die Situation vorzustellen, gab es aber gleich wieder auf. »Ich glaube nicht, dass es mir in Afrika gefallen würde. Ich muss aber auch nicht hin. Man braucht mich dort auf keinen Fall, und es dürfte Cahoon ziemlich gleichgültig sein, ob ich mitkomme oder nicht.«
    »Noch haben wir den Vertrag nicht«, gab er zu bedenken.
    Sie war überrascht. »Willst du damit sagen, dass ihr ihn unter Umständen nicht bekommt?« Einen Fehlschlag des Unternehmens hatte sie nie ernsthaft in ihre Erwägungen einbezogen. Für jemanden wie Cahoon gab es keine Misserfolge, und er betrieb diese Sache mit noch größerer Leidenschaft als alles andere in seinem bisherigen Leben. Das allerdings war vor dem Mordfall gewesen.
    Julius antwortete bedächtig, wobei er über jedes einzelne Wort nachzudenken schien. »Vermutlich hängt das von dem ab, was der Polizist bei seiner Untersuchung herausbekommt.« In seiner Stimme mischten sich Spott, Bedauern und Besorgnis. Es freute sie, das zu hören. Immerhin schien er etwas zu empfinden, war also kein Dummkopf. »Ich bin auch keineswegs mehr so sicher, ob das in jeder Hinsicht erstrebenswert ist. Es gibt noch weitere Faktoren. Vorher war ich der Ansicht, genug zu wissen, aber mittlerweile habe ich da meine Zweifel. Wie mag die Sache wohl in einer Generation aussehen – oder in zweien? Die Binnengrenzen in Afrika sind alles andere als stabil. Wenn sich ihr Verlauf nun ändert? Es genügt ein einziges Land, das sich gegen die Briten stellt, und wir bekommen die größten Schwierigkeiten, wenn wir auf dessen Gebiet tätig werden müssen. Auch kann noch niemand sagen, welche
Folgen das Projekt für Afrika haben würde, selbst wenn es uns gelingen sollte, es militärisch oder durch Verträge abzusichern.«
    »Die Bahnlinie würde den Kontinent doch nicht zerschneiden«, sagte sie, ohne zu zögern. Sie begriff nicht, warum er sich Sorgen machte. »Ist das keine gute Sache? In Indien haben wir es doch genauso gemacht.«
    »Indien war bereits ein gutes Stück auf dem Weg zur Einheit«, erwiderte er. »Afrika ist weit davon entfernt. Außerdem gibt es dort beträchtlich mehr Unterschiede des Klimas, des Geländes, der Rassen, Kulturen und Religionen. Schon möglich, dass eine von uns Briten gebaute Eisenbahn das Ganze besser zusammenhalten würde, aber sicher bin ich mir da keineswegs. Ich habe mich schon gefragt, ob es nicht nur aus sachlichen Erwägungen, sondern auch aus ethischen weit besser wäre, eine Bahnlinie von Osten nach Westen zu bauen, die aus dem Inneren des Kontinents zum Atlantik führt.«
    Sie war verblüfft und wandte ihm ihr Gesicht zu, obwohl sie sich eigentlich vorgenommen hatte, das nicht zu tun. »Und hast du das gesagt?«
    »Nein. Ich bin meiner Sache nicht sicher. Ganz davon abgesehen, würde Cahoon ohnehin nicht auf mich hören. In seinen Augen ist jeder ein Verräter, der ihn infrage stellt.« Die Andeutung eines Lächelns verzog seine Lippen ein wenig. »Aber das weißt du ja selbst am besten.«
    Damit hatte er recht. Schlagartig ging ihr auf, wie deutlich das zu sehen sein musste, wenn sogar er als Außenstehender das erkannt hatte. Eine Antwort war nicht nötig. Jetzt wollte sie nur noch fort.
    »Es dürfte besser sein, ich kehre zurück, bevor ich Erklärungen abgeben muss«, sagte sie. »Ich bin schon ziemlich lange fort.«
    »Selbstverständlich. Ich komme in einigen Minuten nach. Ich würde mir dies Porträt hier gern noch eine Weile ansehen.«
    Sie ging, ohne sich ihm noch einmal zuzuwenden. Abgesehen von der kaum spürbaren Berührung an der Schulter, hatte er sie nicht angefasst, und so fühlte sie sich sonderbar allein.

     
    Cahoon folgte ihr ins Schlafzimmer und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Er entließ Bartle, die darauf wartete, ihrer Herrin beim Auskleiden behilflich zu sein. »Sie klingelt nach Ihnen, wenn sie Sie braucht«, sagte er grob.
    Mit hocherhobenem Haupt und straffen Schultern ging die Zofe hinaus.
    Elsa stand ihm gegenüber.
    »Das wusstest du wohl nicht, was?«, fragte er. Offensichtlich belustigte ihn die Vorstellung. »Du hast geglaubt, er hätte das zum ersten Mal getan.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.« Sie spielte auf Zeit. Sie hatte Angst vor seinen Wutausbrüchen. Er hatte sie schon früher geschlagen, allerdings immer so, dass Außenstehende keine Spuren davon sehen konnten. Stets war es dabei um ihre angebliche Gefühlskälte gegangen, ihre mangelnde

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