Die Tote von Buckingham Palace
Leidenschaftlichkeit, die Art, wie sie bei der Erfüllung seiner Wünsche und ihrer Pflichten als seine Ehefrau versagt hatte.
»Ich spreche von dem Kerl, der die verdammte Frau in der Wäschekammer umgebracht hat!«, schrie er sie an. »Hör doch auf, die Naive zu spielen! Fehlt dir eigentlich jeder Mut, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen?« Sein Abscheu ließ sich mit Händen greifen. »Du lebst in einer Welt voll stumpfsinniger Träume, ohne jede Spur von Leidenschaft oder Schmerz. Diesmal kannst du die Augen nicht vor der Wahrheit verschließen.« Er trat näher an sie heran. Da er massig gebaut und einen halben Kopf größer war als sie, wirkte er doppelt bedrohlich, wie er so dastand und sie überragte. Sein Atem roch nach Zigarrenrauch und Kognak.
»Ich kenne die Wahrheit nicht«, sagte sie, so gefasst sie konnte, und unterdrückte das Bedürfnis, vor ihm zurückzuweichen. »Falls du sie kennst, solltest du sie der Polizei mitteilen.«
»Das tue ich, sobald ich Beweise habe. Allerdings ahne ich nicht, was der Hampelmann von Polizist tun wird, wenn ihm der Prinz keine genauen Anweisungen gibt. Ein total unfähiger Trottel!«
»Wen meinst du – den Prinzen oder den Polizisten?«, fragte sie sarkastisch. Sie hatte es satt, um jeden Preis willfährig sein zu
müssen. Zwar verachtete sie sich selbst deswegen, doch war ihr klar, dass sie für ihre Dreistigkeit würde bezahlen müssen.
»Willst du damit etwa sagen, dass du den Prinzen von Wales für einen unfähigen Trottel hältst?«, fragte er kalt.
»Woher zum Kuckuck soll ich das wissen?«, gab sie zurück. »Er trinkt zu viel und scheint alles zu tun, was du ihm sagst. Findest du das bewundernswert?«, forderte sie ihn heraus.
»Wahrscheinlich ödet ihn die Prinzessin unendlich an«, knurrte er. »Und der arme Teufel kann nicht von ihr los – erst, wenn sie stirbt.«
Sie fror mit einem Mal, als sei sie unversehens in einen eiskalten Regen hinausgetreten, der sie bis auf die Haut durchnässt hatte. Er sah sie an. Ganz offensichtlich genoss er die Situation.
»Und deswegen gibt er Gesellschaften und holt sich zu seiner Unterhaltung solche Weiber in den Palast?«, fragte sie. Da sie so entsetzlich zitterte, fehlte ihren Worten der Nachdruck, den sie ihnen gern gegeben hätte. »Der Ärmste. Kein Wunder, dass er dir leid tut. Mir allerdings tut sie leid. Bestimmt schämt sie sich entsetzlich für ihn.«
Er wusste genau, was sie meinte, und Wut sprang in seine Augen. Er riss den Arm nach hinten, ließ ihn dann aber sinken. »Vermutlich würdest du bloß zu Julius rennen und ihm klagen, dass ich dich geschlagen habe! Ich war nicht in Afrika, als das andere Flittchen dort umgebracht wurde, Elsa, wohl aber er! Hast du dir schon mal überlegt, was er Frauen antun könnte, wenn er glaubt, damit rechnen zu dürfen, dass es nicht herauskommt? Das passt wohl nicht zu deinen Träumen, was?«
»Von meinen Träumen weißt du nichts, Cahoon. Dorthin reicht deine Macht nicht und wird es auch nie.«
»Glaubst du etwa, ich möchte das?« Er hob ungläubig die schwarzen Brauen. »Sie sind nicht einmal mit dem Wort ›fade‹ angemessen zu beschreiben. Wie Grießpudding, blass, ohne jeden Geschmack. Du ödest mich unendlich an!« Er wandte sich ab, drehte sich aber an der Tür noch einmal zu ihr um. »Julius kann bei Minnie äußerstenfalls mit Duldung rechnen, weil das
Gesetz es einer Frau nicht erlaubt, einen Mann wegen Ehebruchs zu verlassen, immer vorausgesetzt, er besitzt den Mumm oder die nötige Manneskraft dazu – denk dran. Du verdankst mir alles, was du hast: vom Essen auf dem Tisch bis zu den Kleidern, die du am Leibe trägst, und deshalb schuldest du mir Treue und Ergebenheit – zumindest in der Öffentlichkeit. Solltest du das je vergessen, vernichte ich dich. Julius kann dich nicht retten; er würde es weder versuchen, noch möchte er das, sonst hätte er längst etwas unternommen. Das wäre dir auch klar, wenn du mutig oder ehrlich wärest. Er hätte mehr als genug Grund, sich von Minnie abzuwenden, wenn ihm der Sinn danach stünde. Aber das ist nicht der Fall. Finde dich damit ab. Er kennt keinen anderen Wunsch, als mich zu reizen.«
»Das scheint ihm ja gelungen zu sein«, sagte sie mit eisiger Stimme. »Du hast die Beherrschung verloren – wieder einmal.«
»Nicht die Spur«, widersprach er. »In dem Fall lägest du längst bewusstlos am Boden.« Er verließ den Raum und schlug die Tür hinter sich zu.
Sie drehte den Schlüssel im Schloss und
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