Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
murmelte Berns. In den langen Jahren bei der Kriminalpolizei hatte er jeglichen Respekt vor Ärzten, hohen Beamten und anderen angeblich wichtigen Personen verloren, die sich gern im Glauben wiegten, ihre Arbeit sei bedeutender als jede polizeiliche Ermittlung.
Walther grinste und klopfte an die Tür.
»Herein.«
Sie traten in das Büro und sahen sich einem unerwartet jungen Mann gegenüber. Dr. Stratow konnte nicht älter als Mitte dreißig sein. Blondes Haar, Hornbrille, glattrasiertes, gut geschnittenes Gesicht. »Was kann ich für Sie tun, meine Herren? Ich muss zur Visite.«
Er wollte einen Schritt in Richtung Tür machen, worauf Walther sich kaum merklich nach links bewegte und ihm dadurch den Weg versperrte.
»Was soll das bitte?« Stratow klang leicht gereizt.
Walther stellte sich und den Kollegen vor. »Es geht um Ihre verstorbene Mitarbeiterin, Frau Dr. Strauss.«
Der Arzt hielt inne und lehnte sich gegen den Schreibtisch. »Ein großer Verlust für unsere Abteilung und das gesamte Krankenhaus. Nur ist mir nicht klar, weshalb die Kriminalpolizei damit befasst sein sollte. Wie ich hörte, starb die Kollegin an einer Lungenentzündung, die leider nicht rechtzeitig behandelt wurde.«
»Nehmen Sie doch Platz, Herr Dr. Stratow. Im Sitzen spricht es sich besser.« Walther und Berns ließen sich auf den Holzstühlen gegenüber vom Schreibtisch nieder. Der Arzt trat widerwillig zurück, lehnte sich aber demonstrativ an ein Regal, statt sich zu setzen.
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass Frau Dr. Strauss nicht an einer Lungenentzündung gestorben ist, sondern infolgedes Einatmens einer bisher unbekannten Substanz«, erklärte Walther in betont gewähltem Ton. »Bei der Sektion der Leiche ergaben sich Befunde, die nicht mit den Symptomen einer Lungenentzündung übereinstimmen.«
»Es wurde bereits eine gerichtsmedizinische Untersuchung durchgeführt?«, fragte Stratow ungläubig.
»In der Tat. Sie bildet die Grundlage für unsere Ermittlungen.«
»Darf ich fragen, wie dieser Verdacht überhaupt aufgekommen ist? Gab es denn keinen offiziellen Totenschein?«
Walther nickte. »Doch. Aber der fragliche Arzt hat es sich anders überlegt. Seine Hinweise ließen eine Sektion als geraten erscheinen.«
Stratow hob die Hand, um Walther zu unterbrechen. »Kurz gesagt, Sie wollen andeuten, dass die Kollegin keines natürlichen Todes gestorben ist. Woran dann? War es ein Unfall?«
Als die Beamten schwiegen, stieß er hervor: »Sie hätte sich niemals etwas angetan, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Sie war eine überaus lebenslustige Frau …« Nun wirkte er aufrichtig erschüttert, und Walther fragte sich, ob ihr Verhältnis rein kollegialer Natur gewesen war. Natürlich gab es einen gewissen Altersunterschied, aber der musste bei einer interessanten Frau keine Rolle spielen.
»Möglicherweise Fremdeinwirkung«, warf Berns ein. »Sie sind also der Ansicht, dass es keine Gründe für einen Selbstmord gegeben hat?«
Stratow schüttelte entschieden den Kopf. »Kann ich mir nicht vorstellen.«
»Dann bleiben nur Unfall oder Mord«, stellte Walther fest.
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Können Sie uns sagen, ob Frau Dr. Strauss in Konflikt mit jemandem stand – mit Kollegen, Vorgesetzten, Patienten?Gab es private Probleme? Beruflichen Neid? Eifersucht?«
»Nein, nein, nein, das ist … völliger Unsinn. Sie war mit Leib und Seele Ärztin, wollte den einfachen Menschen helfen, darum hat sie auch vor einigen Jahren eine gut dotierte wissenschaftliche Stelle an der Charité abgelehnt. Sie wollte lieber unmittelbar mit den Menschen arbeiten, statt Forschung zu betreiben. Ich habe versucht, ihr begreiflich zu machen, dass auch die Forschung den Menschen hilft, aber da blieb sie stur. Sie konnte sehr stur sein.«
Walther schaute den Arzt prüfend an. »Wir würden gern mit den übrigen Ärzten der Station und den Schwestern sprechen. Sie können jetzt Ihre Visite durchführen, aber halten Sie sich bitte für weitere Fragen bereit.«
Stratow begab sich zur Tür. »Sie können sich umschauen und mit den Kollegen und Krankenschwestern sprechen. Ich verlasse mich jedoch auf Ihre Diskretion. Es könnte die Patienten beunruhigen, wenn sie erfahren, dass die Kriminalpolizei im Haus ermittelt.« Er zögerte. »Es tut mir leid um meine Kollegin. Sie hätte noch viel erreichen können. Die Arbeit hat ihr alles bedeutet.«
»Sie ging noch einer anderen Tätigkeit nach, nicht wahr?«
Stratow zog eine
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