Die Tote von Harvard
sein natürlicher Rhythmus ihm nicht bekommt – nun denn! Mein Appartement in Cambridge ist groß genug, er kann mich dort jederzeit besuchen. Was er dann mit sich anfängt, ist sein Problem. So, und jetzt darfst du aus dem Restaurant stolzieren und dir weiblichere Freundinnen suchen, die bis zum Hals in Schuldgefühlen stecken. Aber warte erst noch die Pasta ab, die ist verdammt gut hier.«
»Ist dir aufgefallen, daß die Leute sich neuerdings immer in Restaurants treffen, wenn sie miteinander reden wollen? Wohl eine neue Form des Abendmahls – Brot, Wein und ein Tisch. Wenn Reed zu Hause ist, unterhalten wir uns gelegentlich auch, wenn wir nicht gerade beim Essen sitzen. Aber Freunde scheinen heutzutage immer Kalorien und Kommunikation miteinander zu verbinden.«
»Und wie geht’s dir ohne Reed? Vergiß nicht, wie offen ich über George und mich war!«
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»Sylvia, du willst doch nicht, daß ich zu deiner Erbauung Geschichten ehelichen Unfriedens erfinde. Reed hat immer gewußt, daß ich Zeiten ohne ihn brauche. Und ich war mir immer sicher, daß Reed sich nicht langweilt, wenn wir zusammen sind. Er ist ein seltenes Exemplar von Mann: die Aufgeblasenheit geht ihm ab. Ich vermisse ihn, wenn wir getrennt sind, aber ich verzehre mich nicht nach ihm; genauso sehne ich mich nicht danach, allein zu sein, wenn wir zusammen sind. Größres Glück war auf Erden keinem Menschen beschieden.«
»Alleinsein in der Ehe. Welch ein Witz! Jetzt, wo ich mit schnellen Schritten aufs fortgeschrittene mittlere Alter zugehe, fange ich endlich an, den amerikanischen Mythos der Ehe zu durchschauen.
Im Augenblick ist mein Lieblingsthema das gemeinsame Schlafzimmer. Gib das auf, und du hast deine Ehe zerstört, nichts bleibt davon übrig außer dem gesetzlichen Gerippe. Ein befreundetes Ehe-paar in Washington – wir spielen zusammen Tennis, und auf ihre stille Art ist sie dabei, aufzuwachen – stört sich seit Jahren im Schlaf.
Er schnarcht, und sie muß nachts unentwegt aufstehen. Sie hat lange dagegen anzukämpfen versucht, indem sie nach acht Uhr abends nichts mehr getrunken hat. In einem Moment der Erleuchtung kam ihnen dann die Idee, daß sie schließlich genug Platz hatten, warum also nicht getrennt schlafen! Man hätte meinen können, sie hätten sich tätowieren lassen oder Waffen an Kuba geliefert, so sehr hat die Umwelt sich aufgeregt. Schließlich haben sie das Problem mit einem großen Schild gelöst, das an einer der Schlafzimmertüren hängt:
›Hier vögeln wir.‹«
»Ich habe dich vermißt, Sylvia.«
»Natürlich hast du mich vermißt. Warum tauschst du nicht deine männliche Institution hier gegen eine noch männlichere Institution am Charles aus? Wenn George nicht da ist, kannst du bei mir wohnen.«
»Und was tue ich, wenn er da ist?«
»Du nimmst dir ein Zimmer in einem der Häuser auf dem Campus und erfreust dich an der Gesellschaft von Erstsemestern und jungen Lehrbeauftragten, während ich in Ehewonnen schwelge.«
»Was ich in Harvard eigentlich soll, darüber haben wir noch nicht gesprochen, ganz zu schweigen davon, wie ich zu dem Zimmer kommen soll.«
»Ich bin eine einflußreiche Frau, hast du mir nicht zugehört? Ich kenne die Kennedys und Leute, die die Kennedys kennen, und wenn 24
ich etwas sage, nimmt man es normalerweise zur Kenntnis.«
»Ich hab dir schon zugehört. Aber darf ich dich daran erinnern, daß das Semester noch nicht vorüber ist und ich auch im nächsten meine Seminare zu halten habe. Schließlich gibt es so etwas wie Verträge, auch wenn das manche Kollegen noch nicht bemerkt zu haben scheinen.«
»Unsinn. Du nimmst dir ein unbezahltes Freisemester. Deine Fakultät wird überglücklich sein; denk an das Geld, das sie spart – die Hälfte deines Jahresgehalts! Und wenn eines deiner Seminare absolut nötig ist, dann holen die irgendein arbeitsloses Genie, das es für ein Fünftel deines Salärs abhält. Ich habe alles genau durchdacht, Kate. Du bist reich – Dank sei Gott –, einen kleinen Sonderurlaub kannst du dir leisten. Also ab mit dir in dieses Frauen-Institut, das sie in Harvard eingerichtet haben. Du wohnst bei mir und kommst Janet Mandelbaum zu Hilfe.«
»Endlich sind wir also am Ziel angelangt – bei Janet Mandelbaum. Welch ein Zufall!«
»Kein Zufall, höchstens eine Verkettung von Zufällen.«
»Ehe du mir den Unterschied erklärst, nur eine Frage, wenn du erlaubst. Warum sollte dieses Frauen-Institut mich nehmen? Wahrscheinlich ist es inzwischen
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