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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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brauchen wir dich ja auch. Aber vergiß nicht, du lebst mit einem Mann, du arbeitest mit Männern, kurz, du dienst dem Patriarchat.«
    Kate hob das Cognacglas, das unvermutet vor ihr stand. »War es nicht das Patriarchat, das den Cognac erfand?«
    »Die Frauen aus dem Café in Cambridge würden dir wahrscheinlich erklären, daß die Frauen, die die Weinberge bestellten, ihn entwickelt haben und Männer unrechtmäßig Lob und Cognac als eigenes Verdienst ausgeben. Wahrscheinlich haben sie sogar recht, aber das sagen wir lieber nicht laut.«
    »Ich glaube, Joan Theresa gefällt mir besser als Janet Mandelbaum.«
    »Das, meine Liebe, ist das Problem. Und so etwas darfst du nie sagen, wenn du im Dozentenzimmer des Harvard-Hauses, in dem du schließlich landen wirst, deinen Sherry trinkst.«
    »Und wie setze ich mich mit diesem Fraueninstitut in Verbindung, vorausgesetzt natürlich, ich lasse mich auf diesen albernen Plan ein?«
    »Das arrangiere ich schon. Das kannst du alles getrost deiner Sylvia überlassen, der, wie du weißt, die ganze Welt zu Füßen liegt.
    Ich habe einen schönen dicken Ordner über die Frauen in Harvard zusammengestellt, den schicke ich dir. Eine höchst deprimierende Materialsammlung, fürchte ich. Zu Beginn sah Harvard überhaupt kein Frauenproblem, und als man es dann, ungefähr hundert Jahre später, zur Kenntnis nahm, wurde eine Kommission berufen. Die verfaßte einen Bericht. Einen sehr guten sogar. Und dann – geschah nichts. Jedenfalls nicht viel.«
    »Was ist mit Radcliffe? Hatte Radcliffe denn keinen Einfluß auf die Dinge?«
    »Meine Liebe, daß Radcliffe entstand, war reiner Zufall. Jeder weiß, daß es vor allem gegründet wurde, um Harvard zu entlasten.
    29

    Eine Frau, die in Cambridge aufwuchs, hat gerade ein Buch über ihre Jugend geschrieben. Sie sagt, Radcliffe sei ein Experiment gewesen, bei dem ein paar recht chaotische Damen als Versuchskaninchen dienten. Wenn das Experiment fehlschlug, träfe Harvard keine Verantwortung. Sollte es jedoch von Erfolg gekrönt sein, fiele aller Ruhm an Harvard. Hiermit wäre die Beziehung zwischen Harvard und Radcliffe auf den Nenner gebracht. Die Radcliffe – ›Damen‹
    sind übrigens auch heute noch ziemlich chaotisch.«
    »Weißt du, warum ich wahrscheinlich nach Cambridge fahren werde, obwohl ich den Harvard Square dermaßen verabscheue?«
    fragte Kate. »Weil es meine Brüder zu Tode ärgern wird, die immer noch der Überzeugung sind, daß keine Frau durch die Widener Bibliothek streifen dürfte. Dabei fällt mir gerade ein, ich habe eine Nichte, die am Radcliffe studiert. Wenn ich nicht irre, müßte sie gerade im Examen stecken.«
    »Janet Mandelbaum – Achtung, Rettung ist in Sicht!«
    30

Drei
    Es ist lange her, daß es Studentinnen untersagt war, die Widener Bibliothek zu betreten, und Margaret Meads Geschichte einer Anth-ropologiestudentin im Examenssemester, die den Vorlesungen nur durch die einen Spalt geöffnete Tür einer Kammer neben dem Hörsaal folgen durfte, ist heute eine amüsante Anekdote, die der Vergangenheit angehört.

    Bericht des Komitees zur Untersuchung des Status von Frauen an der
    Geisteswissenschaftlichen Fakultät

    Sylvia, die offenbar von einem ehelichen Intermezzo voll in Anspruch genommen war, hatte Kate ein Zimmer in Harvards Fakultätsclub besorgt. Wie es schien, galt in Harvard das ungeschriebene Gesetz, Frauen, die weder durch Bluts- noch eheliche Bande mit den Herren vom Lehrkörper verknüpft waren, die schlechtesten Zimmer zu geben. Trotz Sylvias rechtzeitiger Bemühungen hatte man Kate ein Mansardenzimmer zugewiesen, das ein Giebelfenster hatte, keinen Kleiderschrank und nur eine einzige Steckdose, die gleichzeitig herhalten mußte für die einzige Lampe, das Radio und das Gerät, das das Wasser beinahe so weit erhitzte, daß sich darin der unsägliche Pulverkaffee auflösen ließ, der in kleinen Tütchen ausgegeben wurde. Kate schaute sich um und kam zu dem Schluß, daß kein Zimmer zufällig so gastfeindlich und unkomfortabel sein konnte, nein, hier war ein hämischer, finsterer Geist am Werk. Harvards Grundeinstel-lung gegenüber Frauen fand in diesem Zimmer durchaus adäquaten Ausdruck.
    Die einzige natürliche Lichtquelle, ein winziges Fenster, lag am Ende einer mindestens zwei Meter tiefen, engen Nische im Dachgie-bel und war nur mit akrobatischen Anstrengungen zu öffnen. Die aber wären ganz nutzlos gewesen, denn ein Schild über dem Fenster mahnte gebieterisch: Dieses Fenster wurde

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