Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
lebte“, sagte Mabel laut zu sich selbst, denn bei Verbrechen glaubte sie nicht an Zufälle. Außerdem war der Unmut, als Mabel ihn auf Bristol ansprach, in Parkers Augen deutlich zu lesen gewesen.
Unbewusst hatte Mabel ihre Schritte durch den verwilderten Garten zum See gelenkt. Erneut stand sie am Ufer und sah ein paar Minuten auf die Wasseroberfläche, dann begann sie, das Ufer Zentimeter für Zentimeter abzusuchen. Seit Sarahs Ermordung waren über zwei Wochen vergangen, seitdemhatte es mehrmals geregnet, und Mabel glaubte nicht, noch irgendwelche Spuren zu finden. Selbst wenn irgendwo das Gras niedergedrückt gewesen sein sollte, so hatte sich das längst wieder erholt. Auch Fetzen von Sarahs Kostüm, ähnlich dem, den Mabel an der Terrassentür gefunden hatte, waren nirgends zu sehen.
„Wahrscheinlich verrennst du dich in etwas“, murmelte Mabel und beschloss, zum Herrenhaus zurückzugehen, sich umzuziehen und nach Looe zu fahren. Da hörte sie ein Geräusch, wie das Knacken eines Astes, ganz in ihrer Nähe. „Wer ist da?“, rief sie laut. „Abigail, bist du es?“
Niemand antworte, uns außer dem aufgeregten Rufen eines Vogels konnte Mabel auch nichts mehr hören. Ein ungutes Grummeln breitete sich in ihrem Magen aus, und Mabel hatte das deutliche Gefühl, von jemandem beobachtet zu werden.
Bevor Mabel sich auf dem Weg nach Looe machte, dachte sie kurz daran, noch einmal zu versuchen, Victor Daniels zu erreichen, um ihm zu sagen, dass sie sich mit Trengove traf, verwarf den Gedanken aber wieder. Ein letzter Rest Misstrauen, weil er sie, was Michael Hampton und Alan Trengove betraf, zunächst belogen hatte, war geblieben. Außerdem – was sollte Victor zu dem Gespräch mit Trengove beitragen? Sie wusste selbst nicht, was der Anwalt zur ihrer Geschichte sagen würde. Mabel wollte die Unterhaltung abwarten und danach zu Victor fahren, um ihn zu informieren.
Sie hatte die St Martins Road, die von West Looe in Richtung Plymouth führte, gewählt, weil sie hoffte, dort von niemandem, der sie kannte, gesehen zu werden. Leider musste sie feststellen, dass die früher enge und einspurige Straße in den letzten Jahrzehnten ausgebaut und verbreitert wordenwar und es den Parkplatz, zu dem Arthur sie einmal gefahren hatte, um mit ihr allein zu sein, nicht mehr gab. Arthur – beim Gedanken an ihn zog sich Mabels Herz zusammen. Was er wohl zu ihrem Verdacht, Abigail könnte eine Mörderin sein, sagen würde? Mabel wusste über seine und Abigails Ehe nur das Wenige, das Abigail erzählt hatte. Laut deren Aussage waren die beiden sehr glücklich gewesen, hatte das aber auch Arthur so empfunden? Bereits als Kind war Abigail nicht nur äußerst eitel, sondern auch ehrgeizig gewesen. Ihre Ehe mit dem texanischen Ölmillionär war sie nur eingegangen, um ein sorgloses Leben führen zu können, und die Hochzeit mit Arthur hatte der einstigen Tochter eines Farmers die Türen zu den Kreisen des englischen Hochadels geöffnet. Mabel zweifelte nicht an Abigails Gefühlen für Arthur – hatten diese über die Jahre hinweg aber auch Bestand gehabt? Wohl kaum, warum sonst hatte Arthur eine Affäre gehabt, aus der sogar ein Kind hervorgegangen war. Sie seufzte und suchte nach einer Stelle, wo sie parken konnte. Kurz vor einer Abzweigung zu einer Farm entdeckte sie eine Haltebucht und lenkte ihren Wagen dorthin. Es war zwar nicht erlaubt, in diesen Buchten zu parken, außer man hatte eine Panne, Mabel hoffte jedoch, von Alan Trengove an dieser Stelle gesehen zu werden.
Der Anwalt verspätete sich um wenige Minuten. Nachdem er sein Auto, einen grauen BMW aus der Fünferserie, hinter Mabels alten Corsa gestellt und ausgestiegen war, sah er sich suchend um.
„Das ist aber kein Parkplatz“, bemerkte er tadelnd. „Wenn eine Streife vorbeikommt …“
„Wir brauchen nicht lange“, warf Mabel ein. „Mr Trengove, ich muss wissen, warum Sarah Miller erst Jahre nach Arthur Tremaines Tod informiert wurde, dass sie seine Tochter ist.“
„Woher wissen Sie das?“ Trengove runzelte die Stirn. „Haben Sie mit Lady Tremaine gesprochen.“
Mabel ging auf seine Frage nicht ein.
„Bitte, Mr Trengove, ich
muss
wissen, warum Sarah erst kürzlich über ihren Vater und das Erbe informiert wurde.“
„Am Telefon meinten Sie, Sarah Miller wäre ermordet worden“, sagte Trengove. „Hat die Polizei bereits den Täter gefasst?“
„Die Polizei verfolgt den Mord nicht.“ Mabel seufzte, knetete nervös ihre Finger und begann dann in
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