Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
ausfallen“, sagte Abigail und forderte Mabel auf, sich zu bedienen. „Wenn du Lust hast, fahren wir dann etwas durch die Gegend. Es wird dich sicher interessieren, zu sehen, was aus Higher Barton geworden ist.“
Mabel, die erst beim Duft der Speisen merkte, wie hungrig sie war, nickte zustimmend.
„Es wäre interessant zu sehen, ob sich die Gegend in den letzten Jahrzehnten verändert hat.“
Abigail lächelte wohlgefällig. „Viele Landgüter in der Größe von Higher Barton haben mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, wir jedoch nicht.“ Der Stolz in ihrer Stimme war unüberhörbar. „Das Land wird von einem äußerst fähigen Verwalter bewirtschaftet, und besonders mit der Schafzucht erzielen wir gute Einkünfte. Außerdem muss ich zugeben, dass ich ein geschicktes Händchen für das Finanzielle habe, was auch sein muss. Schließlich hängen eine Menge Arbeitsplätze von Higher Barton ab. Rund fünfzig Personen und ihre Familien sind auf die Löhne angewiesen. Du siehst, Mabel, Herrin eines solchen Besitzes zu sein, bedeutet eine große Verantwortung.“
Mabel nippte an ihrem Tee und nickte stumm. Sie würde später mit Abigail sprechen und ihr ausreden, von ihr als Erbin benannt zu werden.
Am frühen Nachmittag fuhr Justin Parker die beiden Damen in einem dunkelgrünen Rolls Royce kreuz und quer über den weitläufigen Landbesitz von Higher Barton. Auf den ersten Blick schien sich die Landschaft im Laufe der Zeit kaum verändert zu haben, wenn Mabel jedoch genauer hinsah, dann bemerkte sie, dass überall regelmäßig modernisiert worden war. Die neusten High-Tech-Maschinen standen zur Bearbeitung des Landes bereit, die Schafställe waren mit technischem Gerät ausgestattet und die Cottages, wo früher die Pächter gelebt hatten, hatten zwar äußerlich ihren alten Charakter bewahrt, boten aber im Innenraum modernste Wohnkultur. Alle Cottages waren vermietet, einige als Ferienhäuser, die von einer Agentur in Liskeard betreut wurden, und brachten zusätzliche Einnahmen für Abigail.
Zum Abschluss ihres Ausfluges kehrten sie in einen Tearoom in Lower Barton ein und sprachen über belanglose Dinge. Mabel hatte den Vorfall bei ihrer Ankunft und die vermeintliche Leiche in der Bibliothek Abigail gegenüber nicht wieder erwähnt, für sie war die Angelegenheit aber alles andere als erledigt. Allerdings wusste Mabel beim besten Willen, was sie tun konnte, damit man ihr Glauben schenkte. Sie musste die Leiche finden, hatte aber nicht den Schimmer einer Ahnung, wie sie dabei vorgehen sollte. Vor allen Dingen, wer war die Tote überhaupt und wurde sie nicht schon längst von ihren Angehörigen vermisst? Eine weitere Frage, auf die Mabel keine Antwort wusste.
Als Abigail und Mabel den Tearoom verließen und Justin die Tür des Fonds öffnete, legte Mabel eine Hand auf den Arm der Cousine.
„Ich möchte zu Fuß gehen, Abigail. Es ist so schönes Wetter, und ein wenig Bewegung tut meinen alten Knochen gut.“
Mabel hoffe, Abigail würde nicht auf die Idee kommen, sie begleiten zu wollen, da sie ein Weilchen allein sein wollte, um ihre Gedanken zu ordnen. Zum Glück war Abigail aber noch nie für Bewegung an frischer Luft zu begeistern gewesen. Sie zog nur eine Augenbraue hoch und murmelte: „Wie du meinst, du kennst ja den Weg. Essen wir heute Abend zusammen?“
Mabel bejahte, verabschiedete sich und schlenderte die High Street hinunter. Obwohl Lower Barton ein kleiner Ort war, herrschte reger Feierabendverkehr, und auf den Gehsteigen eilten Leuten, zum Teil mit Einkaufstüten bepackt, geschäftig umher. Mabel hatte es nicht eilig. Sie blickte in Schaufenster und überlegte, ob sie sich nicht einen neuen Mantel kaufen solle. Ihrer war immerhin schon an die zehn Jahre alt und am Kragen ein wenig abgestoßen. Gerade, als sie sich entschloss, das Geschäft, in dessen Fenster sie einen hübschen Mantel entdeckt hatte, zu betreten, fiel ihr Blick auf ein Plakat, das von innen an die Glastür geklebt worden war.
„Das gibt es doch gar nicht!“
Sie hatte die Worte laut ausgerufen und war unwillkürlich ein paar Schritte zurückgewichen, sodass sie zwei Jugendliche versehentlich anrempelte.
„He, Oma, willste uns etwa anmachen?“, maulte einer der Jungen. „Dazu biste mir wirklich zu alt.“
Mabel, sonst um eine passende Antwort nicht verlegen, reagierte nicht auf die Pöbelei, denn das Plakat zog sie völligin den Bann. Darauf war die Tote abgebildet! Es bestand kein Zweifel, auch nachdem Mabel
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