Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
Haustür gehört, und da nur Sarah hier wohnte, konnte es niemand anderes sein. Am Samstag kam sie nicht zum Frühstück herunter, was mich nicht wunderte, weil sie so langeaus war. Hab’ mich nur gefragt, wo sie war, denn Lower Barton bietet für junge Leute nicht gerade viel Abwechslung, verstehen Sie? Kein Kino oder gar eine Disko. In Polperro oder Looe ist auch nicht viel los, man muss schon rüber nach Plymouth fahren, um sich zu amüsieren.“
„Vielleicht war Sarah dort?“, warf Mabel ein.
Ein erneutes Kopfschütteln. „Ich denke nicht, denn sie hatte ja kein eigenes Auto. Und es hat sie auch niemand abgeholt oder heimgebracht, denn das hätte ich mitbekommen, also …“ Catherine Bowder brach ab und wurde leicht verlegen, „ich meine, ich hätte gehört, wenn ein Wagen vor dem Haus gehalten hätte. Hier ist nämlich in der Nacht nie etwas los.“
Mabel juckte es in den Fingern, nun doch nach einem Glas Wein zu fragen, um ihre Aufregung zu verbergen. Sie war jedoch vernünftig genug, es bleiben zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit, in dieser Gegend in eine Polizeikontrolle zu geraten, war zwar gering, sie brauchte ihren Führerschein aber noch und wollte nichts riskieren.
„Wann war Sarah Miller dann fort?“, fragte sie.
„Gegen Abend. Vergangenen Samstag war ich drüben in Fowey bei einer Bekannten. Ich fuhr am späten Vormittag los und als ich gegen sechs Uhr am Abend wieder hier war, fand ich auf der Anrichte im Frühstückszimmer einen Umschlag vor. Darin steckte das Geld für die Miete, die Sarah mir noch schuldete, und eine kurze Nachricht, dass sie leider kurzfristig abreisen musste. Als ich in ihr Zimmer hochging, stellte ich fest, dass ihre Sachen weg waren. Sie hat ohnehin nicht viel gehabt, nicht mehr als eine Sporttasche voll, mit der sie hier ankam.“
Mabel nickte nachdenklich. Im Laufe des Samstages könnte Sarah Miller sich mit jemandem getroffen haben,und dieser Jemand hatte sie dann – aus welchem Grund auch immer – nach Higher Barton gelockt, um sie dort zu ermorden. So passte es zumindest einigermaßen ins Bild. Wenn Sarah jedoch bereits um sechs Uhr die Pension verlassen hatte – wo war sie die nächsten Stunden gewesen? Mabel interessierte brennend die Zeit nach der Theaterprobe, denn Rachel hatte erwähnt, dass am Samstagabend eine Probe stattgefunden hatte. Im Herrenhaus konnte Sarah nicht gewesen sein, denn Abigail feierte ja ihren Geburtstag und hatte gesagt, es wäre keine junge Frau unter den Gästen gewesen. Außer – und diesen Gedanken wagte Mabel nicht weiterzudenken – Abigail sagte nicht die Wahrheit. Welchen Grund hätte sie, die Anwesenheit von Sarah Miller zu leugnen? Und warum hatte das Mädchen Mary Lerricks Kostüm nach der Probe anbehalten oder es in den frühen Morgenstunden erneut angezogen?
„Geht es Ihnen gut?“ Besorgt sah Catherine Bowder Mabel an, die wieder einmal nicht gemerkt hatte, dass sie laut geseufzt hatte. „Sind Sie eigentlich eine Verwandte von Sarah oder warum wollen Sie das alles über das Mädchen wissen?“
Mabel, die diese Frage erwartet hatte, antwortete unbefangen: „Ach, ich helfe Eric Cardell, der das Theaterstück ›Verrat in Lower Barton‹ inszeniert, und so erfuhr ich, dass seine Hauptdarstellerin von einem Tag auf den anderen Tag verschwand.“ Sie sah Mrs Bowder mit offenem Blick an und lächelte. „Sie wissen ja, wie das ist. Wenn man älter wird, hat man irgendwie zu viel Zeit, und ich dachte, vielleicht kann ich Mr Cardell helfen, Sarah zu finden. Sie wäre nämlich eine bessere Hauptdarstellerin als Jennifer Crown, die die Rolle sehr überzogen und melodramatisch verkörpert.“
Als Mabel den Namen der jungen Schauspielerin erwähnte, fiel ein Schatten über Catherines Bowders Gesicht. Plötzlich schien sie es eilig zu haben, denn sie deutete zur Tür.
„Ich muss Sie jetzt bitten zu gehen, Miss Clarence, ich habe zu tun.“ Ihre Stimme klang plötzlich kühl und sie wich Mabels Blick aus. Erst als Mabel bereits vor dem Haus stand und sich bei Mrs Bowder bedanken wollte, sagte diese: „Jennifer Crown ist übrigens meine Enkelin. Ich halte sie für eine ganz hervorragende Schauspielerin und fand es von Eric äußerst respektlos, sie einfach aus der Rolle zu werfen, als Sarah kam.“
Ohne einen Abschiedsgruß schloss sie die Tür und ließ Mabel verwirrt zurück.
Sie bereute ihre Worte über Jennifer, verständlich, dass Mrs Bowder ihre Enkelin verteidigte. Wahrscheinlich würde morgen die ganze Gruppe
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