Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
wollen“, sagte er brummend und sah auf einen imaginären Punkt irgendwo hinter Mabel.
„Lucky?“ Mabel brauchte einen Moment, um sich an die Katze zu erinnern. Richtig, sie hatte ja versprochen, das Tier zur weiteren Pflege nach Higher Barton zu nehmen.
„Dann ist sie wieder gesund?“, fragte sie.
„Hab’ vorhin den Draht entfernt, sie kann jetzt wieder alles fressen.“ Victor sah sie immer noch nicht an. „Hat verdammtes Glück gehabt, die Kleine. Sie haben ihr das Leben gerettet.“
„Victor …“ Mabel trat einen Schritt vor und legte eine Hand auf seinen Unterarm, die er nicht abschüttelte. „Ich verstehe, dass Sie sauer sind, und ich wollte Sie nicht beleidigen. Siemüssen aber zugegeben, wie irritierend Ihre Behauptung, Sie würden Michael Hampton nicht kennen, ist. Immerhin habe ich Sie und den jungen Mann erst vor ein paar Tagen zusammen gesehen.“
Victor Daniels ging auf Mabels Worte nicht ein, stattdessen knurrte er: „Hab’ versucht, ’ne neue Haushälterin zu finden. Sie wollten mir dabei doch helfen.“
Sie sah Victor entschuldigend an.
„Es tut mir leid, ich hatte dafür noch keine Zeit“, antwortete Mabel ausweichend. Tatsächlich hatte sie ihr Versprechen, dem Tierarzt zu helfen, eine Haushälterin zu finden, völlig vergessen. Kein Wunder, bei all dem, was in den letzten Tagen geschehen war.
Zum ersten Mal suchten Victors Augen ihren Blick.
„Muss Ihnen was sagen.“ Es war ihm offensichtlich peinlich, denn er trat von einem Fuß auf den anderen. „Wegen Michael Hampton … Sie haben recht. Ich kenne ihn, nun ja, erst seit ein paar Tagen, aber …“
Mabel wusste nicht warum, aber sie spürte, dass Victor Daniels dem jungen Mann nichts angetan hatte. Er war zwar brummig und ziemlich kauzig, ein Mensch jedoch, der derart liebevoll mit Tieren umging, war kein Mörder.
„Ja?“ Mabel sah ihn erwartungsvoll an.
„Nicht hier.“ Victor sah sich um. „Wollen Sie mit zu mir kommen? Hab’ Lust auf einen Tee, vielleicht wären Sie so freundlich ...?“
Mabel schmunzelte, das war typisch Victor, sie selbst konnte aber auch eine gute Tasse Tee gebrauchen. Die Fahrt nach Higher Barton konnte warten, denn eigentlich brannte Mabel darauf, Victor von ihren neusten Erkenntnissen zu berichten. Sie würde sich seine Erklärung, was Michael Hamptonanging, anhören und dann entscheiden, ob sie dem Tierarzt wieder Vertrauen schenken konnte.
Nachdem Mabel in Victors Küche das gröbste Chaos beseitigt und Teewasser aufgesetzt hatte, räumte sie das Wohnzimmer auf, damit sie sich an den Tisch setzen konnten.
„Keine Widerrede, Victor“, sagte sie bestimmend. „Ich bringe Ihnen schon nichts durcheinander, in diesem Chaos ist es unmöglich, miteinander zu plaudern.“
Victor ließ sie hantieren, beobachtete aber jeden ihrer Handgriffe. Nach zehn Minuten befand sich das Wohnzimmer in einem Zustand wie wahrscheinlich seit Wochen nicht mehr, und Mabel holte die Teekanne und zwei Tassen aus Küche. Vergeblich suchte sie in den Schränken nach Keksen, aber eigentlich hatte sie gar keinen Hunger. Nachdem sie sich und Victor eingeschenkt hatte, kam er gleich zur Sache.
„Also, Mabel, ich bin Ihnen, was Michael Hampton angeht, eine Erklärung schuldig. Ihr Verdacht, ich könne etwas mit dem Unfall zu tun haben, hat mich schockiert.“
Mabel sah ihn schweigend an. Victor stand auf, ging zu einer Kommode und holte ein Fotoalbum heraus. Er blätterte in den Seiten, dann reichte er Mabel das Album. Sie blickte auf das Bild eines jungen, hübschen Mädchens, das aus hellblauen Augen in die Kamera strahlte.
„Meine Nichte Carol“, sagte Victor. „Die Tochter meiner jüngeren Schwester. Lebt in York und ist gerade siebzehn geworden.“
Mabel nickte, konnte sich aber nicht zusammenreimen, was Victors Nichte mit Michael Hampton zu tun haben könnte.
„Letztes Weihnachten hat Carol mich besucht. Ihre Eltern, also meine Schwester und ihr Mann, die haben eine Kreuzfahrtin die Karibik gewonnen, bei einem Preisausschreiben.“ Victor schmunzelte. „Hab’ in meinem ganzen Leben noch nie etwas gewonnen, aber kaum macht meine kleine Schwester bei so was mit, gewinnt sie gleich den Hauptpreis. Also, Carol konnte nicht mit, sie wollte auch nicht auf so ein spießiges Schiff mit lauter alten Leuten, wie sie sich ausdrückte, und so hat sie ihren alten Onkel besucht. Wir haben uns vorher kaum gesehen, ist doch eine weite Reise von York nach Cornwall. Carol will später Tiermedizin studieren, darum
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