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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
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begehen würde, schob er den Oberkörper über die Bettkante. Seine Hände tasteten wie zwei Mungos auf Beutejagd über die kühlen Bodenfliesen, bis sie die mechanische Lärmquelle gefunden und zum Schweigen gebracht hatten.
    Danach lag er noch lange reglos in seinem zerwühlten Bett und rief sich den Traum, aus dem er gerade erst erwacht war, ins Gedächtnis zurück. Als ordnete er ein Kartenspiel, reihten sich die chaotischen Bilder in seinem Kopf wieder in der richtigen Reihenfolge aneinander.
    Er kauerte im Schutz eines Säulenganges und starrte auf eine azurblaue Wasserfläche hinaus. Eine heftige Windbö peitschte ihm Sand und trockenes Laub ins Gesicht. Ein Schwarm Möwen, eine jede mit den Augen Amanda Smallwoods, die er nie gesehen hatte, landete neben dem Pool. In einem Anfall von Panik sprangen sie nacheinander ins Wasserund wurden in die Tiefe hinabgesogen. Irgendeine rätselhafte Macht hinderte Diaz daran, ihnen zu helfen. Der Wind wirbelte die schimmernde Wasseroberfläche zu Lichtbögen und metallischer Finsternis auf. Regenwolken jagten über einen blauen Himmel und verwandelten die Farbe des Swimmingpools von Azur in Schwarz und weiter in Aquamarin. In seinen Tiefen bewegte sich der dunkle Umriss eines Schwimmers. Die Gestalt tauchte auf, durchbrach die Wasseroberfläche nahe am Beckenrand, wo Diaz kauerte, und nahm die weichen Konturen eines nackten Frauenkörpers an. Sie schüttelte den Kopf, schleuderte ihr nasses Haar hin und her. Ihr Gesicht war Diaz unbekannt. Bis auf ein schreckliches Detail, denn sie hatte keine Augen. Nur bodenlose schwarze Augenhöhlen, aus denen Rinnsale aus Blut flossen, die das silberblaue Wasser rot färbten.
    Diaz blinzelte. Einmal, zweimal, zehnmal. Die Traumbilder stoben in alle Richtungen auseinander. Er fuhr sich mit der Hand zwischen die Beine. Seine Genitalien hatten sich zusammengezogen und waren zu einer festen ledrigen Kugel geschrumpft.
    Er warf die Bettdecke beiseite, stolperte ins Badezimmer und spritzte sich so lange kaltes Wasser ins Gesicht, bis er keuchend nach Luft schnappte. Sein Mund schmerzte. Als er über die wunde Stelle tastete, erinnerte er sich an den kräftigen Schlag, den Consuela ihm verpasst hatte, bevor sie in der Nacht verschwunden war. Und wieder ein gescheiterter menschlicher Kontaktversuch , dachte er. Ein weiteres Debakel im ewigen Kampf der Geschlechter.
    Das kalte Wasser in seinem Gesicht riss ihn in die Realität zurück. Das war eine Rückkehr, die Amanda Smallwood für alle Zeiten verwehrt bleiben würde. In einem plötzlichen Wutanfall verspürte er das dringende Bedürfnis, das kleineFenster neben dem Waschbecken mit der Faust einzuschlagen. Stattdessen putzte er sich wie wild die Zähne, spülte sich den Mund aus, gurgelte und zündete sich die erste Zigarette des Tages an. Draußen vor dem Fenster schwenkten die Palmen ihre Blätter im leichten Wind. Das Sonnenlicht ließ die Glassplitter im Beton der Mauerkrone funkeln, die den Garten von der Straße trennte.
    Als Diaz das Wohnzimmer der Wohnung betrat, fand er seinen Vater zusammengerollt schlafend auf der Ledercouch. Eine der Wolldecken war auf den Boden gefallen.
    Seit dem Tod seiner Frau lebte Alonzo Diaz offiziell bei Hectors älterem Bruder Valerio. Doch das Verhältnis zwischen dem Vater und seinem älteren Sohn konnte bestenfalls als angespannt bezeichnet werden. Hector hatte Alonzo einen Zweitschlüssel für seine Wohnung gegeben, und sein Vater übernachtete regelmäßig auf seiner Couch.
    Der langgestreckte Raum war nur spärlich möbliert. Ein schwarzes Ledersofa, ein antiker Tisch, sechs blau und golden lackierte Stühle mit geraden Rückenlehnen. Weiß getünchte Wände, von denen an einer ein bunter indianischer Wandteppich hing, während ein antikes Kruzifix aus Kupfer und bemaltem Blech eine der anderen zierte. Die hohe Decke wurde von alten Holzbalken getragen.
    In einem schlichten Wandschrank mit Glastüren standen mehrere uralte Tonfiguren, Chimären aus unterschiedlichen Kulturkreisen, teils Mensch, teils Tier, teils Gottheit. Dazu eine Zeremonienmaske mit türkisfarbenen und roten Muscheln verziert, die wie ein bösartiger Faschingsdämon aussah. Reliquien, die Hector und sein Großvater väterlicherseits vor Jahren während ihrer Campingausflüge in die Sierras aus geheimen, nur dem älteren Diaz bekannten aztekischen Gräbern entwendet hatten.
    Mehrere neben der Couch übereinandergestapelte Bücher waren umgefallen und lagen verstreut auf dem

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