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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
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auszurufen. Eine sonnenverbrannteHand, die über einen kahlrasierten Schädel strich.
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?«, wollte Diaz wissen.
    »Sie haben mich nicht zurückgerufen«, erwiderte der Unbekannte.
    Diaz spürte, wie es ihm vor Anspannung in einem seiner Finger juckte. Um das Gefühl zu vertreiben, setzte er sich gerade auf, ließ den Deckel seines Zippos aufspringen und zündete sich eine frische Zigarette an, alles mit einer Hand. Mit der anderen zog er die kleine Pistole aus ihrem Holster unter der Schreibtischplatte und legte sie sich auf den vom Schreibtisch verdeckten Schoß.
    »Tut mir leid, aber ich habe Ihren Namen nicht mitbekommen.«
    »Lieutenant Morales. Von den Federales .«
    »Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter von gestern.«
    »Brillant.«
    »Sie haben sich tatsächlich die Mühe gemacht, den ganzen Weg von Guanajuato bis nach San Miguel zu fahren, nur weil ich nicht zurückgerufen habe? Ich hoffe, es sind nicht zu viele Betrunkene auf der Straße herumgetorkelt. San Miguel und das gesamte Umland sind zurzeit berauscht von Religion, billigem tequila und pulque .«
    »Es no problemo.«
    »Wäre es Ihrer Nachricht irgendwie anzuhören gewesen, wie dringend die Angelegenheit offenbar für Sie ist, hätte ich Ihnen vielleicht die Reise ersparen können.«
    Lieutenant Morales vergrub die Hände tief in den Taschen seiner Arbeitshose. Seine Stimme hatte einen kratzigen Unterton, wie beim Abspielen einer alten Jazzplatte.
    »Als ich noch ein Kind war, damals in der Winterzeit, wenn es bereits früh dunkel wurde, habe ich mich immer aufdas Dach der Werkstatt in unserem Hinterhof geschlichen, um zuzusehen, wie sich meine Schwester bei Kerzenlicht in ihrem Zimmer ausgezogen hat. Sie war fünfzehn und hatte bereits den Körper einer Frau.«
    Während Morales redete, wanderte Diaz’ Blick zum anderen Ende des Büros und dann wieder zurück zu dem rasierten Schädel seines Besuchers, der unter einem dünnen Schweißfilm schimmerte. Was wollte dieser Kerl von ihm? War dies ein Test, um ihn dazu zu provozieren, sich als heimlicher Pädophiler zu outen? Ließ vielleicht Don Cedillo Andeutungen in der Hauptstadt des Bundesstaats fallen, dass Diaz pervers war? Seit sieben Jahren geschieden und immer noch nicht wieder verheiratet …
    »Ich hoffe, Sie haben nicht die ganze Fahrt auf sich genommen, nur um hier eine Beichte abzulegen«, sagte Diaz. »Dafür bräuchten Sie ohnehin einen Priester. Ich wäre gar nicht berechtigt, Ihnen die Absolution zu erteilen.«
    Morales sprach einfach weiter, als hätte Diaz nichts gesagt.
    »Eines Abends hat mich meine Schwester auf dem Dach gesehen und meinem Vater Bescheid gesagt. Er hat mich zu einem blutigen Klumpen Brei zusammengeschlagen und dann zum Priester unserer Gemeinde geschleppt. Der Priester hat mir erklärt, dass ich eine Todsünde begangen hätte. Die ganze Geschichte hat damit geendet, dass ich zum Bruder meines Vaters ziehen musste, der eine Schuhfabrik in Nuevo Laredo hatte. Mein Onkel war ein Sadist. Ich musste täglich vierzehn Stunden in seiner Fabrik arbeiten. Nachts habe ich auf dem nackten Lehmboden im Hof bei seinen Hunden und Hühnern geschlafen. Ich habe zwei Finger in einer Schuhpresse verloren, bevor ich endlich den Mut aufgebracht habe wegzulaufen.«
    Diaz blinzelte. Dieser Morales war wirklich ein echter Spaßvogel. »Und trotz all dieser Entbehrungen haben Sie es bis zum allgemein respektierten Lieutenant bei den Federales gebracht.«
    »Sie haben nicht richtig zugehört, mi amigo . Weil Sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, den Witzbold zu geben.« Morales Stimme war ein raues Flüstern.
    »Ach, ja? Wollten Sie mir mit Ihrer Geschichte irgendeine elementare Wahrheit verkünden? Einen Lichtstrahl auf meine dunkle verkommene Seele werfen?«
    »Es gibt verbotene Dinge auf der Welt, Hector. Wenn man sich darauf einlässt, können einem schlimme Dinge zustoßen.«
    Diaz verabscheute es, wenn ihn Leute, die er nicht kannte, mit dem Vornamen ansprachen, als wären sie alte Kameraden. »Worauf genau wollen Sie eigentlich hinaus?«
    »Die Bundespolizei von Guanajuato ist mit einigen äußerst sensiblen Ermittlungen beschäftigt. Und wir wollen nicht, dass Sie darin herumpfuschen.«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie sprechen.«
    Ein böses Lächeln kräuselte Morales’ kaum vorhandene Lippen. »Ach, kommen Sie, Hector. Den Dummkopf zu spielen zieht nicht bei mir. Ich spreche von Amanda Smallwoods Tod. Halten Sie sich damit

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