Die Tote von Schoenbrunn
einen neuen französischen Koch, einen wahren Meister seines Fachs. Die Künste des Monsieur Pierre dürfen Sie sich nicht entgehen lassen.“
„Wie werden Sie Ihrer Familie meine Anwesenheit erklären? Haben Sie die Absicht, mich als privaten Ermittler oder gar als zukünftigen Leibwächter Ihrer Tochter zu präsentieren?“
„Lassen Sie das meine Sorge sein. Sagen wir Sonntag um sieben Uhr? – Es wird sich schon alles finden.“
Als sich Graf Batheny erhob, fasste er sich ans Kreuz und klagte über seine morschen Knochen.
Gustav sprang sofort auf. „Ich werde sehen, dass ich es einrichten kann“, sagte er.
„Ich ersuche Sie inständig zu kommen.“ Die Stimme des Grafen zitterte leicht.
Als sie nebeneinander standen, registrierte Gustav befriedigt, dass er ein paar Zentimeter größer als sein Vater war.
„Die Adresse kennen Sie ja …“
„Seit meinem siebten Lebensjahr.“ Gustavs Lächeln konnte man beinahe als süffisant bezeichnen.
Als Gustav seinen ersten Schultag hinter sich gebracht hatte, fuhr seine Mutter mit ihm nach Schönbrunn in die Kaiserliche Menagerie. Sie begegneten damals – ob rein zufällig oder nicht, wusste Gustav bis heute nicht – dem Grafen und er bat darum, sie in den Zoo begleiten zu dürfen. Gustav erinnerte sich, dass er ein Eis, ein Paar Würstel und eine Limonade bekommen hatte, und zwar in dieser Reihenfolge. Die Köstlichkeiten hatten ihm zwar gemundet, waren ihm allerdings nicht gut bekommen. Nach dem Besuch des Affenkäfigs und des Löwengeheges brachte der Graf Gustav und seine Frau Mama mit seiner Kutsche nach Hause. Gustav, unbeeindruckt von dem gräflichen Gefährt, erbrach unverdaute Wurstreste und rosafarbenes Eis in den mit purpurrotem Samt ausgekleideten Innenraum.
„Ich erinnere mich sehr gut daran, kaum kamen wir an meinem Haus vorbei, hast du dich übergeben.“ Der Graf schmunzelte bei dieser Erinnerung. „Die arme Giselle hat einen hysterischen Anfall bekommen und gleich darauf schreckliche Migräne. Und ich hab mich allein um dich kümmern müssen. Aber ich habe dich nicht ausgeschimpft, erinnerst du dich? Du konntest ja nichts dafür, ich hätte dich eben nicht mit Eis und Würsteln vollstopfen dürfen.“
„Ich hatte schon immer einen empfindlichen Magen.“
Obwohl sich Gustav über das familiäre Du seines Vaters freute, wollte er es ihm nicht so einfach machen. „Wir sehen uns also am Sonntag“, sagte er und verbeugte sich knapp.
„Vielleicht möchtest du mir ja schon morgen einen Besuch abstatten, um in Ruhe alles mit mir zu besprechen? Denn beim Diner werden wir kaum offen miteinander reden können.“
„Wie Euer Erlaucht wünschen.“
„Jetzt hör endlich mit diesem dämlichen ‚Euer Erlaucht‘ auf“, fuhr der Graf seinen Sohn an. „Wann kann ich mit dir rechnen?“
Gustav zierte sich weiter. „Morgen habe ich viel zu tun, aber am Samstag, so gegen Mittag, könnte ich es mir einteilen.“
„Gut, Samstag um elf Uhr? Marie Luise ist um diese Zeit sicher im Schloss. Sie kümmert sich gemeinsam mit einer der Hofdamen um den literarischen Nachlass Ihrer Majestät. Meine Tochter möchte verhindern, dass die Gedichte und sonstigen Ergüsse von irgendwelchen stumpfsinnigen und übereifrigen Höflingen vernichtet werden. Ich nehme an, Marie Luise hat vor allem wegen ihrer poetischen Ader die Gunst unserer Kaiserin erlangt. Unter uns gesagt, ich halte die Lyrik meiner Tochter für keine große Kunst. Sie ist halt eine sehr feinsinnige und sensible junge Frau, etwas nervös vielleicht. Manchmal denke ich, sie gerät nach ihrer Frau Mama, die ja ihr Leben lang mit einem nervösen Leiden zu kämpfen hatte.“
Gustav fand diese intimen Mitteilungen peinlich und sagte schnell: „Elf Uhr! Ich werde da sein.“ Er verbeugte sich dieses Mal etwas tiefer.
„Behüt dich Gott, mein Lieber!“, verabschiedete sich Graf Batheny, bevor Gustav die Wohnungstür hinter ihm zuschlug.
Gustav war verwirrt. Er setzte sich zu Vera an den Küchentisch. Josefa machte ihnen einen Kaffee.
„Der Graf hat heute Vormittag einen Boten geschickt und mich gebeten, ihn zu empfangen. Was hätte ich tun sollen? Ihm eine Botschaft zukommen lassen, dass er nicht willkommen sei? Ich habe ihn in deinem Zimmer empfangen. Du weißt schon warum.“ Vera zwinkerte ihrem Neffen zu.
Gustav musste unwillkürlich grinsen, obwohl ihm eigentlich nicht danach zumute war.
Bei jeder anderen Dame hätte er gedacht, dass sie aus Gründen der Schicklichkeit keinen Mann in
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