Die Tote von Schoenbrunn
sagt zumindest meine Frau Mama.“
Gustav hatte Karl Konstantin noch nie so ernst und emotional erlebt. Er versuchte, dem Erzherzog seine Verwunderung darüber nicht zu zeigen.
Nachdem sie sich etwa zwanzig Minuten lang aufgewärmt hatten, sagte Karl Konstantin: „Und jetzt gehen wir uns abkühlen und danach machen wir die ganze Prozedur im Dampfbad noch einmal, damit wir den Alkohol von heut Abend richtig rausschwitzen.“
Gustav war wild entschlossen, es bei dem einen Besuch des Caldariums zu belassen. Sein Kreislauf machte ihm zu schaffen. Er taumelte, als er hinaus auf den Gang trat und dem Erzherzog zum Frigidarium folgte.
Im Abkühlraum wurde der Erzherzog wieder freudig von allen Seiten begrüßt. Gustav behielt sein Handtuch um, tat, als würde er frieren.
„Seien Sie keine Memme, Herr Oberleutnant“, spottete Karl Konstantin.
„Hier ist es mir zu voll“, sagte Gustav.
„Dann lass uns ins kalte Wasser springen.“
Das Bassin im Souterrain des Hauses sah sehr einladend aus. Das Becken war von kunstvoll bemalten Glasfenstern umrahmt. Gustav hatte das Gefühl, sich in einem orientalischen Hamam zu befinden.
Zu Karl Konstantins Überraschung stieg er, ohne mit der Wimper zu zucken, ins eiskalte Wasser.
„Ist es dir zu kühl, lieber Stanzi, oder kannst du etwa nicht schwimmen“, frotzelte er nun den Erzherzog. Mit geübten Bewegungen durchquerte er der Länge nach das Becken, während Karl Konstantin nur vorsichtig seine Füße ins Wasser hielt.
„Ich habe in den kalten Salzkammergutseen schwimmen gelernt. War als Kind mit meinen Großeltern jedes Jahr am Attersee oder am Traunsee auf Sommerfrische“, sagte Gustav grinsend.
Als sie sich nach dem kühlen Bad in einem der Ruheräume auf zierlichen Ottomanen, die übersät waren mit karmesinroten und königsblauen Satinkissen, niederließen, dösten beide ein.
Es war spät geworden. Einer der jungen Burschen weckte sie, kurz bevor das Bad zusperrte.
Karl Konstantin ließ es sich nicht nehmen, Gustav mit seinem Sechsspänner nach Hause zu bringen, obwohl sich sein Palais nicht weit vom Kaiserbründl befand.
Als die Kutsche des Erzherzogs auf das Tor der k.k. Hofstallungen zupreschte, ertönte ein Schrei. Gustav und Karl Konstantin wurden nach vorn geschleudert, als das Gefährt abrupt stehen blieb.
Verärgert beugte sich der Erzherzog aus dem Fenster.
„Bist du vollkommen verrückt geworden, Karl?“, schrie er seinen Kutscher an.
Gustav konnte nicht verstehen, was der Arme antwortete. Er stieg rasch aus.
Ein Blick genügte und er wusste, wer die Ursache für den plötzlichen Halt war.
23
Am nächsten Morgen unterhielten sich Dorothea und Vera lautstark über das Geburtstagsfest im Hause Batheny. Ihre Stimmen weckten Gustav.
Sogleich fiel ihm wieder die Alte ein, die gestern leblos vor dem Einfahrtstor der Hofstallungen gelegen war. Er hatte Karl Konstantin von ihren wirren Prophezeiungen und ihrem Teufelsgequatsche erzählt. Der Erzherzog hatte ihn scherzhaft des Aberglaubens bezichtigt. Um die Alte hatte sich keiner von ihnen gekümmert.
Unausgeschlafen gesellte sich Gustav in Pyjama und Morgenmantel zu den beiden Frauen an den sparsam gedeckten Frühstückstisch. Beim Anblick der trockenen Brotscheiben, des bisschen Butters und der Reste von Josefas Erdbeermarmelade begann er von dem exorbitanten Frühstück zu schwärmen, das er in der Villa seines Vaters genossen hatte.
„Der Bäcker in der Hietzinger Hauptstraße bringt ihnen jeden Morgen ofenfrisches Gebäck. Seine Kaisersemmeln sind fantastisch. Hab noch nie in meinem Leben so gute Kaisersemmeln gegessen …“
„Das darfst du Josefa gegenüber ja nicht erwähnen, sonst ist sie schwer gekränkt“, ermahnte Vera ihn.
„Wieso, es ist nicht ihre Schuld, dass der verdammte Lauritz in der Burggasse keine anständigen Semmeln zusammenbringt.“
„Dafür gibt es bei uns Josefas unübertroffene Erdbeermarmelade“, sagte Dorothea laut, obwohl die schwerhörige Josefa, die gerade Veras Zimmer aufräumte, sie sicher nicht hören konnte.
„Die Erdbeermarmelade hängt mir, ehrlich gesagt, schon zum Hals heraus. Seit wie vielen Jahren gibt es jetzt schon jeden Morgen Erdbeermarmelade bei uns? Im Hause Batheny ist die Auswahl riesig: Heidelbeer-, Marillen-, Zwetschgen-, ja sogar Orangenmarmelade … einfach köstlich, ich sag’s euch.“
„Jetzt hör schon auf, Gustl. Oder willst du es dir mit Josefa endgültig verscherzen? Ich finde ihre selbstgemachte Konfitüre
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